Mehrjährige Haftstrafe wegen Mordes Patient (27) ersticht DRK-Psychologen, weil er keinen Termin bekam

Saarbrücken · Das Landgericht Saarbrücken hat einen Flüchtling aus Syrien zu 13 Jahren Haft wegen Mordes verurteilt. Der 27-jährige hatte einen Psychologen in einem Beratungszentrum für Flüchtlinge in Burbach erstochen.

 Symbolbild

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Foto: dpa/Volker Hartmann

Nach dem gewaltsamen Tod eines Psychologen des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) hat das Landgericht Saarbrücken einen 27 Jahre alten Flüchtling wegen Mordes zu 13 Jahren Haft verurteilt.

Bei der Begrüßung im Büro zugestochen

Der Syrer hatte am Morgen des 7. Juni 2017 das Beratungszentrum für Flüchtlinge in Saarbrücken-Burbach aufgesucht, angeblich um dort schnellstmöglich einen weiteren Termin für die Behandlung seiner psychischen Probleme zu bekommen. Bei der Begrüßung durch den 30 Jahre alten Psychologen habe er ein Küchenmesser mit 16 Zentimeter langer Klinge gezogen und zwei Mal in den Oberkörper des DRK-Helfers gestochen. Herz, Lunge, Leber, Niere und Hauptschlagader des werdenden Familienvaters mit irakischen Wurzeln wurden verletzt. Er verblutete. Nach Feststellung des Landgerichts was das Ganze ein heimtückischer Mord.

Tat aus Wut über lange Wartezeiten für Termine

Nach eigener Aussage war der Angeklagte an jenem Morgen wütend, verärgert und verzweifelt. Er habe unbedingt sofort einen Termin zur Gesprächstherapie bei den Psychologen haben wollen. Also sei er mit dem Küchenmesser zum Flüchtlingszentrum, um zu zeigen, wie ernst es ihm war. Zuvor habe er etwa einen halben Liter Wodka getrunken, um sich Mut für das Gespräch zu machen. Aber er habe nur sich selbst verletzten wollen, um einen Termin zu erzwingen. Dann sei er ausgerastet. Er habe den Psychologen jedoch nur verletzten wollen. So weit der 27-Jährige vor Gericht.

Richter verurteilen wegen vorsätzlichen Mordes

Dieser Aussage folgten die Richter des Schwurgerichts nicht. Sie sei widerlegt durch das Tun des Angeklagten. Er habe sich zurückgesetzt gefühlt, weil die von ihm gewünschten Behandlungstermine nicht zustande kamen. Er habe mit voller Wucht zwei Stiche in den Oberkörper seines Gegenübers ausgeführt. Jeder der Stiche war für sich genommen tödlich. „So handelt man nur, wenn man den Tod eines Menschen herbeiführen will“, betonte der Vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung.

Aus Sicht der Richter ist aber nicht auszuschließen, dass der Angeklagte wegen seiner psychischen Probleme und des Alkohols während der Tat vermindert schuldfähig gewesen sein könnte. Deshalb minderten sie die im Normalfall für Mord gebotene lebenslange Haftstrafe in eine Strafe von 13 Jahren Gefängnis ab. Getreu dem Grundsatz: „Im Zweifel für den Angeklagten.“

Psychische Störung in Folge der Migration

Demnach und nach dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen leidet der 27-jährige Syrer unter einer depressiven Anpassungsstörung in Folge seines Migrationshintergrundes und eventuell auch unter paranoiden Störungen. Dies deute sich in seiner Biografie an.

Der Mann stamme aus einer mehrköpfigen Familie und habe in Syrien sieben Jahre eine Schule besucht. Danach habe er als Fliesenleger gearbeitet und sei lange vor dem Bürgerkrieg in den Libanon gegangen. Von dort aus sei er nach Öffnung der Grenzen 2015 über die Türkei und die Balkanroute nach Deutschland gekommen. Hier habe er studieren und seinen Weg machen wollen. Getragen von dem Wunsch, ein besseres Leben zu führen als sein Vater – ein Landwirt mit 14 Kindern. Wie er das habe bewerkstelligen wollen, das sei völlig unklar, so der Gutachter.

In Deutschland habe der junge Syrer Probleme bekommen. Er sei zwar als Asylbewerber anerkannt worden, aber den für eine Integration unabdingbaren Sprachkurs habe er wegen Konzentrationsproblemen abgebrochen. Im Zuge dieser Anpassungsprobleme habe sich eine depressive Störung entwickelt. Auch eine paranoide Persönlichkeitsstörung sei denkbar.

Fehlende Sprachkenntnisse als Grundproblem

„Es war klar, dass er behandlungsbedürftig war“, sagte dazu eine seiner Therapeutinnen beim DRK vor Gericht. Der Mann habe zwischen seinem alten und seinem neuen Leben gestanden. Man habe seine Verzweiflung gespürt, sein Misstrauen, seine Einsamkeit. Aber mehrere Krankheitsbilder schienen möglich zu sein. Dies führte nach Feststellung des psychiatrischen Gutachters dazu, dass der Betroffene seit 2016 mehr als 45 Mal zu medizinisch/psychologischen Konsultationen ging. Im Schnitt sei der Mann ein Mal pro Woche beim Arzt oder Psychologen gewesen.

Das Kernproblem bei den Gesprächen, bei der Diagnose und auch bei der Begutachtung für den Prozess sei die Sprachbarriere. Der Syrer stamme aus einem anderen Kulturkreis, habe eine andere Sozialisation erlebt und spreche eine andere Sprache. Hier sei es mit Hilfe von Dolmetschern nahezu unmöglich einen Zugang zu ihm und seinen Problemen zu finden. Der Gutachter dazu: Bei einem Gespräch mit dem 27-Jährigen sei noch nicht einmal mit Sicherheit festzustellen, ob eine gestellte Frage überhaupt bei dem Mann angekommen ist. Bei den Antworten sei das Ganze ähnlich.

Arzt und Psychologe mit Migrationshintergrund wollen helfen

Ein großer Teil der therapeutischen Arbeit im Vorfeld der Tat habe deshalb darin bestanden, geeignete Kontaktpersonen zu finden. Dies sei schließlich gelungen. Es fand sich ein Psychiater, der mit dem Patienten arabisch reden konnte. Und im Burbacher Flüchtlingszentrum saß der DRK-Psychologe, der auch als Übersetzter und Brückenbauer für den Syrer aktiv wurde.

Aber die Therapievorschläge von Psychiater und Psychologen wollte der 27-Jährige nicht akzeptieren. Ihm ging alles zu langsam. Er war überzeugt, dass er keine Medikamente brauche, sondern eine Gesprächstherapie. Also fuhr er zu dem Therapiezentrum in Burbach, ging zu dem Psychologen und brachte den 30-Jährigen um.

Damit tötete der Angeklagte ausgerechnet den Mann, der trotz aller Probleme immer zu ihm gehalten hatte. Der DRK-Psychologe war nach Aussage von Kollegen nämlich derjenige gewesen, der ausdrücklich und engagiert für eine Weiter-Behandlung des schwierigen Patienten plädiert hatte. Denn: „Wir sind die Einzigen, die er hat. Wenn wir ihn wegschicken, dann hat er niemanden mehr.“

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