Mutter und Vater erschlagen: Muss der Sohn freigesprochen werden?

Saarbrücken · Plädoyers im Strafprozess gegen einen 28-Jährigen, der seine Eltern mit einem Hammer erschlagen haben soll. Er war zur Tatzeit wahrscheinlich nicht schuldfähig und muss deshalb wohl nicht in Haft. Aber er könnte in die forensische Psychiatrie gesperrt werden. Das Urteil wird in wenigen Stunden am 8. Juni erwartet. Hier die Dokumentation zum Prozess.

 Symbolfoto.Location:Frankfurt (Oder)

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Foto: Patrick Pleul (dpa-Zentralbild)

1. Prozesstag


Wegen Verdachts des zweifachen Totschlags muss sich ein 28-Jähriger vor dem Landgericht in Saarbrücken verantworten. Er soll am Abend des 8. Dezember vergangenen Jahres Streit mit seinen Eltern in der gemeinsam benutzten Wohnung in Homburg bekommen haben. Dabei habe er den Vater (54) mit einem Hammer oder einem anderen stumpfen Gegenstand erschlagen. Außerdem habe er der Mutter den Schädel eingeschlagen und mehrfach auf die 51-Jährige eingestochen.

Der Angeklagte weist diese Vorwürfe zurück. Zum Prozessauftakt betonte er, dass er unschuldig sei. Weitere Angaben zur Person oder zur Sache machte der Mann nicht. Nach derzeitigem Stand könnte der 28-Jährige psychisch krank und zur Tatzeit nicht oder nur eingeschränkt für sein Tun verantwortlich gewesen sein.

Bei der Aufklärung der Bluttat in dem Homburger Mehrfamilienhaus sind die Richter deshalb maßgeblich auf Indizien sowie die Aussagen von Zeugen und Sachverständigen angewiesen. Eine entscheidende Rolle könnte dabei ein junges Paar spielen, dass in der Wohnung genau unter dem Tatort lebt. Sie hatten in dem hellhörigen Gebäude offenbar Teile des Geschehens mitangehört und die Polizei gerufen. Dazu sagte der junge Mann vor Gericht: Ihm sei damals ein eiskalter Schauer den Rücken heruntergelaufen. Er habe in seinem Innern irgendwie gefühlt: "Da schlägt jemand einem anderen den Schädel ein."

Nach Aussage der beiden jungen Leute war es zunächst ein ganz normaler Abend in der gemeinsamen Wohnung. Dann hörten sie offenbar aus dem Wohnzimmer in der Etage eins höher Lärm. Die Geräusche hätten sich in die Küche verlagert - genau über die Köpfe des Paares. Dazu die junge Frau: Es sei gegen 18 Uhr gewesen. Sie habe ein Poltern wie beim Stühlerücken gehört und die Stimme der Frau von oben. Dann sei alles ganz schnell gegangen. Plötzlich habe die Frau ganz laut und irgendwie verzweifelt drei Mal geschrien - einen Namen vielleicht. Dann habe es ein lautes Poltern gegeben, wie wenn jemand fällt. Und eine Reihe von Schlägen. Sie hätten sich angehört, wie ein Kopf, der immer wieder auf den Boden geschlagen wird. Und plötzlich sei es ganz still gewesen.

"Ich stand direkt darunter", ergänzte der junge Mann. Seine Frau habe daraufhin das Handy genommen, die Polizei gerufen und sei runter vor die Haustür, um auf die Beamten zu warten. Unterdessen sei er in ihrer Wohnung geblieben und habe gehört, wie in der Etage oben die Wohnungstür benutzt wurde. Kurze Zeit später sahen seine Frau und eine Nachbarin, wie offenbar der Angeklagte aus dem Haus kam, sich eine Zigarette ansteckte und die Straße hoch ging. Nach wenigen Minuten sei der 28-Jährige zurück gekommen und wieder ins Haus, so die junge Frau. Dann sei die Polizei eingetroffen und nach oben in die Wohnung des Ehepaares. Die Beamten fanden die beiden toten Eheleute und nahmen deren Sohn fest. Der Prozess wird fortgesetzt.
2. Prozesstag


Vor dem Landgericht wird Stück für Stück der Ablauf der Tat rekonstruiert. Der Angeklagte kann dabei nicht helfen. Er weist jede Schuld am Tod von Mutter (51) und Vater (54) zurück. Er will die Leichen gefunden haben, als er am 8. Dezember 2015 wohl gegen 18.20 Uhr nach Hause kam.

Wenig später erschien die Polizei, die von besorgten Nachbarn wegen des Lärms aus der Wohnung der Familie gerufen worden war. Der Sohn öffnete die Wohnungstür. Die Polizisten sahen die Füße der Leichen im Flur zur Küche. Die schwer gezeichneten Oberkörper der Toten waren mit Tüchern bedeckt. Neben der Spüle in der Küche lagen ein Messer und ein Hammer, beide waren noch feucht und offenbar frisch gesäubert. Im Papierkorb lagen Reste von zwei blutverschmierten Bierflaschen. Mitten in der Küche stand der Esstisch der Familie. Er war für drei Personen gedeckt, es gab wohl Spaghetti Bolognese. Das Essen schien noch lauwarm. An den Bestecken waren Spuren von Mutter, Vater und Sohn. Anhaltspunkte für eine weitere Person gab es nicht. Der Stuhl des Vaters war zurückgeschoben, so als ob er beim Essen schnell aufgestanden sei. Was dann geschah, ist noch ungewiss. Der Prozess wird fortgesetzt.

3./4. Prozesstag


Die Tatrekonstruktion und die Suche nach den Ursachen der Bluttat gehen weiter. Am vierten Prozesstag wird die Beweisaufnahme geschlossen und die Schlussplädoyers werden gehalten. Darin beantragen der Staatsanwalt und der Verteidiger übereinstimmend einen Freispruch für den Angeklagten, der erneut seine Unschuld beteuerte.

Mit dieser Aussage zu der Bluttat an seinen Eltern dürfte der 28-Jährige sogar irgendwie Recht haben. Nach Einschätzung eines psychiatrischen Gutachters war der Mann nämlich zur Tatzeit wegen einer schweren psychischen Erkrankung sehr wahrscheinlich für sein Tun nicht verantwortlich. Dementsprechend gingen Anklage und Verteidigung am Ende der mehrtägigen Beweisaufnahme davon aus, dass der 28-Jährige nicht schuldfähig im Sinne des Strafrechts sei. Deshalb dürfe er für sein Tun nicht wegen Totschlags verurteilt werden. Allerdings müsse er - so der Staatsanwalt - zum Schutz der Allgemeinheit auf Dauer in die forensische Psychiatrie für gefährliche Straftäter gesperrt werden. Dieser Schlussfolgerung schloss sich der Anwalt des Angeklagten nicht an. Wie die Strafrichter den Fall sehen, ist offen. Sie wollen ihr Urteil am 5. Prozesstag verkünden.

Die Entscheidung dürfte den Richtern und Schöffen der Großen Strafkammer nicht leicht fallen. Zumal bis heute völlig unklar ist, warum es überhaupt am Abend des 8. Dezember 2015 zu der brutalen Bluttat in der ersten Etage eines Homburger Mehrfamilienhauses gekommen ist. Der äußere Ablauf der Ereignisse konnte dagegen am vierten Prozesstag weitgehend mit Hilfe der Spuren vor Ort geklärt werden. Die Rechtsmediziner konnten aus den Verletzungen der Oper, den möglichen Tatwerkzeugen und Hunderten von kleinsten Blutspritzern rekonstruieren, wie Mutter und Vater des Angeklagten gestorben waren.

Zunächst saß die Familie damals offenbar beim Abendessen in der Küche. Anhaltspunkte für die Anwesenheit anderer Personen gibt es nach Aussage der Ermittler nicht. Beim Essen gab es wohl Streit - vielleicht über den Lebenswandel des Sohnes. Dieser Streit verlagerte sich dann in den Flur vor der Küche. Dort, in Richtung Wohnzimmer, wurde der Vater im Stehen angegriffen und bekam eine Flasche auf den Kopf. Er ging in die Knie, wurde erneut getroffen. Die Flasche zerbrach irgendwann. Dann lag der Vater auf dem Boden und sein Kopf wurde massiv angegriffen - wohl zunächst mit einem Hammer, dann mit Tritten. Der 54-Jährige starb an seinen schwersten Schädel- und Hirnverletzungen.

Etwa einen Meter entfernt lag die Mutter. Sie war irgendwie, vielleicht durch einen ersten Schlag, zu Boden gegangen. Dann erlitt sie mehrere Stiche mit einem Messer in Kopf und Hals sowie diverse Schläge auf den Kopf mit einem Hammer. Die Frau verblutete. Sie starb wahrscheinlich nach ihrem Mann. Beide waren besonders massiv angegriffen worden, als sie am Boden lagen. Der Prozess wird fortgesetzt.

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