Gericht verurteilt Krankenhaus Richter fordern Zeit zum Nachdenken vor einer wichtigen Operation

Köln · Wenn es um Leben und Tod geht, dann müssen Ärzte im Krankenhaus sofort reagieren. In anderen Fällen haben sie mehr Zeit zum Überlegen. Diese Zeit müssen sie auch ihren Patienten zubilligen. Das fordert die Justiz.

 Ein Patient im Bett auf dem Rückweg von einer Operation.

Ein Patient im Bett auf dem Rückweg von einer Operation.

Foto: dpa/Felix Kästle

Ein Urteil des Oberlandesgerichts Köln stärkt die Rechte von Patienten vor einer Operation im Krankenhaus. Es fordert für die betroffenen Menschen ausreichend Zeit zum Nachdenken zwischen der Belehrung über die Operation und der Zustimmung zu dem medizinischen Eingriff. Wenn diese Zeit zu kurz gewesen sein sollte, dann kann eine Klinik trotz schriftlicher Einwilligung des Patienten im Einzelfall verpflichtet sein, sich zu vergewissern, ob die in einer schwierigen Situation gegebene Einwilligung wirklich dem freien Willen entspricht. Dies gilt jedenfalls dann, wenn jemand sich beim ärztlichen Aufklärungsgespräch ausgesprochen skeptisch und „regelrecht widerspenstig“ gegenüber der von den Medizinern für notwendig gehaltenen Operation gezeigt hat (Az.: 5 U 29/17).

Im konkreten Fall hatte sich eine 57-jährige Frau aus dem Kölner Umland den Oberschenkelhals gebrochen und war nachts in die Klinik eingeliefert worden. Beim nächtlichen Aufklärungsgespräch zeigte sie sich gegenüber der von den Ärzten empfohlenen Operation ausgesprochen skeptisch. Die Frau konnte nur mit einiger Mühe von dem Eingriff überzeugt werden. Letztendlich unterschrieb sie aber dann doch eine Einwilligungserklärung für die am nächsten Mittag vorgesehene Operation. Aber die Frau hatte offenbar Zweifel. Noch in der Nacht bat sie ihren Ehemann, am nächsten Vormittag die Meinung eines Orthopäden ihres Vertrauens einzuholen. Dies hatte jedoch keine Auswirkungen mehr, weil die Klinik die Operation auf den Morgen vorverlegte. Die Patientin, die jedenfalls im Rückblick eine konservative Therapie des Bruches bevorzugt hätte, verklagte daraufhin das Krankenhaus auf ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 Euro.

Das Landgericht wies die Klage in erster Instanz ab. Dieses Urteil hatte in zweiter Instanz keinen Bestand. Der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts sprach der Frau 10.000 Euro wegen der dauerhaften Schmerzen im rechten Oberschenkel zu. Begründung: Zwar sei die Operation fehlerfrei durchgeführt worden. Die Einwilligung der Patientin sei im konkreten Fall aber unwirksam gewesen. Die Aufklärung eines Patienten müsse so rechtzeitig erfolgen, dass dieser seine Entscheidung wohlüberlegt treffen könne. Ein stationär aufgenommener Patient müsse regelmäßig mindestens einen Tag vor der Operation aufgeklärt werden, wenn der Eingriff nicht medizinisch dringlich sei. Die Operation im konkreten Fall sei zwar alsbald und spätestens innerhalb von 24 Stunden nach dem Unfall geboten gewesen. Sie sei aber keine derart notfallmäßige, sofort notwendige Operation gewesen, dass sie es gerechtfertigt hätte, der Patientin eine sofortige Entscheidung ohne jegliche Überlegungsfrist abzuverlangen.

Das Gericht weiter: Die Übung des Krankenhauses, den Patienten unmittelbar im Anschluss an die Aufklärung zur Unterschrift unter die Einwilligungserklärung zu bewegen, sei schon vom Grundsatz her nicht unbedenklich. Der Patient treffe seine Entscheidung unter dem Eindruck einer großen Fülle von regelmäßig unbekannten und schwer verständlichen Informationen und – wie hier nach dem Unfall – in einer persönlich schwierigen Situation. Die schriftliche Erklärung stehe vor diesem Hintergrund unter dem Vorbehalt, dass der Patient die ihm verbleibende Zeit nutze, um die erhaltenen Informationen zu verarbeiten und um das Für und Wider des Eingriffs für sich abzuwägen und sich gegebenenfalls anders zu entscheiden. In einem solchen Fall sei es nicht Aufgabe des Patienten, sich durch eine ausdrückliche Erklärung von seiner zuvor gegebenen Einwilligungserklärung zu lösen. Es sei vielmehr Aufgabe der Ärzte, sich davon zu überzeugen, dass die gegebene Einwilligungserklärung nach wie vor dem freien Willen des Patienten entspreche. Dies gelte allerdings nur für den Fall, dass der Patient keine ausreichende Bedenkzeit für seine Einwilligung gehabt habe. So wie im konkreten Fall. Hier habe die Klägerin keine wohlüberlegte Entscheidung treffen können. Die Ärzte, denen die kurze Überlegungszeit bekannt gewesen sei, hätten sich daher ausdrücklich bei der Frau vergewissern müssen, ob es bei ihrer Entscheidung aus der Nacht bleibe. Die Ärzte hätten also nachfragen müssen.

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