Künstliche Befruchtung wegen Gesundheitsrisiko Private Krankenkasse muss auch bei Paar ohne Trauschein bezahlen

Karlsruhe · Eine gute Nachricht für Paare ohne Trauschein, die sich trotz Gesundheitsrisikos ein Kind wünschen. Sie können nach einem aktuellen Gerichtsurteil auf finanzielle Hilfe von ihrer privaten Krankenversicherung hoffen.

 Ein Paar mit Kindern beim Familienausflug. Symbolfoto.

Ein Paar mit Kindern beim Familienausflug. Symbolfoto.

Foto: picture-alliance/ dpa/Frank Leonhardt

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat die Versicherungsbedingungen einer privaten Krankenversicherung gekippt, wonach unverheiratete Paare von der (teilweisen) Kostenübernahme bei künstlichen Befruchtungen ausgeschlossen waren. Nach Ansicht der Zivilrichter darf eine private Versicherung eine solche Beschränkung nicht vornehmen. Im Gegensatz zu den gesetzlichen Krankenkassen, die entsprechende Kostenübernahmen lediglich verheirateten Paaren (Eheleuten) gewährleisten und in dieser restriktiven Linie bislang von Sozialgerichten gestützt werden. Ob diese Form von Zwei-Klassen-Medizin nach dem Grundsatzurteil der Zivilrichter aus Karlsruhe weiterhin Bestand haben wird, das muss sich zeigen. Das aktuelle Urteil ist noch nicht rechtskräftig (Az.: 12 U 107/17).

Hohes Risiko fürs Kind ohne künstliche Befruchtung

Die im konkreten Fall betroffene Frau fordert von ihrer privaten Krankenversicherung die Erstattung von Maßnahmen zur In-vitro-Befruchtung. Die Frau kann zwar auf natürlichem Wege schwanger werden. Sie leidet jedoch an einer Chromosomen-Veränderung wegen der die Wahrscheinlichkeit für eine intakte Schwangerschaft und für ein gesundes Kind bei unter 50 Prozent liegt. Sie ieß vor ihrer Heirat einen Versuch zur künstlichen Befruchtung mit In-vitro-Fertilisation einschließlich von Behandlungsmaßnahmen zum Ausschluss genetischer Schädigungen durchführen. Der voreheliche Behandlungsversuch verursachte Kosten in Höhe von 11.771 Euro. Er war erfolglos.

Krankenkasse will nur für Ehepaare zahlen

Die private Kasse lehnte die Kostenübernahme ab. Sie übernimmt laut ihren Versicherungsbedingungen zwar Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung auf Grund organisch bedingter Sterilität für insgesamt drei Behandlungsversuche bei hinreichender Erfolgsaussicht. Allerdings besteht der Anspruch laut den Versicherungsbedingungen nur, wenn die versicherte Person verheiratet ist und ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden. Die Versicherung hält diese Beschränkung auf Verheiratete unter Hinweis auf eine ähnliche Bestimmung für gesetzlich Versicherte für wirksam. Sie macht außerdem geltend, dass die Betroffene grundsätzlich auf natürlichem Wege schwanger werden kann und damit nicht organisch steril ist.

Die Frau verlangt mit ihrer Klage gegen die Krankenkasse die Kosten der vorehelichen Behandlung. Sie will außerdem festgestellt wissen, dass die Privat-Kasse verpflichtet ist, die Kosten weiterer Behandlungsversuche zu erstatten.

Zwei-Klassen-Medizin bei künstlicher Befruchtung

Der für Privatversicherungsrecht zuständige Zivilsenat gab ihr Recht. Er hat entschieden, dass die Beschränkung der Kostenerstattung auf verheiratete Versicherte in allgemeinen Versicherungsbedingungen unwirksam ist. Anders als der Gesetzgeber, der bei der Gestaltung der Leistungspflichten der gesetzlichen Krankenversicherung andere - etwa gesellschaftspolitische - Erwägungen anstellen kann, verfolge der private Krankenversicherer ausschließlich wirtschaftliche Interessen. Vor diesem Hintergrund sei die Unterscheidung zwischen verheirateten und unverheirateten Versicherten mit Kinderwunsch aber willkürlich und die Vertragsbestimmung damit unwirksam. Die Beschränkung des Anspruchs auf insgesamt drei Versuche sei hingegen wirksam, so das Oberlandesgericht.


Die betroffene Frau hat demnach auch Anspruch auf die Erstattung der in ihrem Fall gesetzlich zulässigen Behandlungsmaßnahmen zum Ausschluss genetischer Schädigungen der Eizellen beziehungsweise des Embryos. Die bei der Betroffenen vorhandene genetische Veränderung beeinträchtigte ihre Fähigkeit zur Fortpflanzung und zur Geburt eines gesunden Kindes. Dies sei eine Krankheit - auch wenn die Frau auf natürlichem Wege schwanger werden könne.

Bundesgerichtshof soll Fall erneut prüfen können

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Oberlandesgericht hat für die Versicherung die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Und zwar deshalb, weil sowohl die Frage, ob eine Begrenzung der Leistung für künstliche Befruchtung auf Verheiratete als auch die Frage, unter welchen Voraussetzungen private Krankenversicherer Maßnahmen der Vorimplantationsdiagnostik erstatten müssen, bislang nicht höchstrichterlich geklärt sind.

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