Schadensersatz nach Operation Prozess gegen Klinik: Ärzte vergaßen OP-Nadel im Bauch einer Patientin

Stuttgart · Man kann ja mal was vergessen. Dieser Satz mag im Alltag vielleicht noch als Entschuldigung bei kleinen Fehlern zählen. Aber bei Operationen an lebenden Menschen gelten strengere Regeln. Da darf nichts vergessen werden.

 Operationsbesteck in einer Klinik.

Operationsbesteck in einer Klinik.

Foto: picture alliance / dpa/Uwe Anspach

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat in einem Arzthaftungsprozess die Bundesrepublik als Trägerin des Bundeswehrkrankenhauses Ulm zur Zahlung eines Schmerzensgeld von 10.000 Euro verurteilt. Außerdem muss Schadensersatz wegen aktueller und noch nicht vorhersehbarer Schäden an eine frühere Patientin gezahlt werden.

Die Betroffene ist heute 30 Jahre alt. Sie hatte sich im März 2014 einer urologischen Operation in dem Krankenhaus unterzogen. Dabei war eine 1,9 Zentimeter lange Nadel im Körper zurückgeblieben. Dies wurde bei einer Röntgenuntersuchung (CT - Computertomographie) ) im April 2014 festgestellt. Über dieses Ergebnis wurde die Patientin rund zwei Monate nach der Operation informiert. Seitdem muss sie sich zur Kontrolle des Verbleibs der Nadel im Körper regelmäßig röntgen lassen. Die betroffene Frau befürchtet Folgeschäden und gegebenenfalls eine weitere Operation zur Entfernung der Nadel. Sie zog vor Gericht.

Das Landgericht Ulm verurteilte daraufhin in erster Instanz die Bundesrepublik als Trägerin der Klinik wegen eines Behandlungsfehlers zu Schmerzensgeld und Schadensersatz. Die Trägerin des Krankenhauses legte Berufung ein und betonte - vertreten durch das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistung der Bundeswehr - dass eine unterbliebene Zählkontrolle bei einer Operation keinen Behandlungsfehler darstelle.

Das Oberlandesgericht Stuttgart in zweiter Instanz sah das anders. Es gab der geschädigten Frau überwiegend Recht und reduzierte lediglich das erstinstanzlich verhängte Schmerzensgeld. Das Zurücklassen der Nadel im Bauchraum der Patientin werteten die Oberrichter als einen schuldhaften Behandlungsfehler, welcher der Klinik zur Last falle. Das ergebe sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Demnach müssten Ärzte alle möglichen und zumutbaren Sicherungsvorkehrungen gegen das unbeabsichtigte Zurücklassen eines Fremdkörpers im Operationsgebiet treffen und sämtliche Instrumente nach einer OP auf ihre Vollständigkeit überprüfen.

Das Oberlandesgericht weiter: Zur Zählkontrolle und Vermeidung unbeabsichtigt im Operationsgebiet zurückgelassener Fremdkörper habe das Aktionsbündnis Patientensicherheit bereits 2010 Handlungsempfehlungen veröffentlicht. Diese Handlungsempfehlungen seien auf Grundlage eines Beschlusses des deutschen Bundestages durch das Bundesministerium für Gesundheit gefördert worden. Vor diesem Hintergrund halte es der Senat für befremdlich, dass die beklagte Bundesrepublik Deutschland meine, sie selbst sei vier Jahre nach Veröffentlichung dieser Empfehlungen nicht zu Zählkontrollen bei Operationen verpflichtet.

Fazit der Richter: Das unbemerkte Zurücklassen der Nadel habe bei der Klägerin zu einem Schaden geführt. Sie sei nicht nur durch die regelmäßigen Lagekontrollen der Nadel, sondern auch durch das Wissen um die Nadel im Körper und die Ungewissheit über die Erforderlichkeit einer Operation zu deren Entfernung belastet. In diesem Zusammenhang sei ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro angemessen und ausreichend. Weiter erhält die Klägerin ihre bisherigen materiellen Schäden in Höhe von rund 2.000 Euro erstattet. Im Übrigen stellte der Senat fest, dass der Krankenhausträger verpflichtet ist, der Klägerin alle weiteren materiellen und nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden aus dem Behandlungsfehler zu ersetzen. Deren Höhe ist noch unbestimmt. Die Revision wurde nicht zugelassen (Az.: 1 U 145/17).

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