Ein Stück Knochen im Fleisch oder ein Kern im Kirschkuchen? Au weh!

München · Auch in modernen Zeiten kann Essen richtig gefährlich werden. Unsere Nahrungsmittel müssen zwar meistens nicht mehr gejagt oder gesammelt werden. Aber manchmal finden sich darin Reste aus der Natur. Und wenn das wehtut, dann wird es ein Fall für die Justiz.

 Symbolfoto

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Foto: Arne Dedert (dpa)

Wer Nahrungsmittel aus der Natur zu sich nimmt, der kann nicht darauf vertrauen, dass diese völlig frei von natürlichen Risiken sind. Deshalb gibt es keinen Schadensersatz und kein Schmerzensgeld, wenn jemand beim Essen eines Kirschkuchens auf einen Kirschkern und beim Essen eines Nackensteaks auf ein Stück Knochen beißt. So etwas gehöre zum allgemeinen Lebensrisiko. Das hat das Amtsgericht München im Fall eines 63 Jahre alten Mannes klargestellt, der sich in einem Restaurant seine Zahnbrücke beschädigt hatte.

Der Fall: Am 3. Juli 2014 besuchte der 63-jährige Kläger mit seiner Ehefrau und seiner Mutter eine Gaststätte bei München. Dort bestellte er ein Nackensteak vom Halsgrat. Beim Verzehr des Steaks gingen Teile der Brücke vom Gebiss des Mannes zu Bruch. Die Brücke musste komplett neu angefertigt, angepasst und eingesetzt werden. Das kostete 2805,78 Euro. Diesen Betrag wollte der Gast von der Haftpflichtversicherung der Wirtsleute und auch von den beiden verheirateten Wirtsleuten persönlich ersetzt bekommen. Begründung: In dem Fleischstück habe sich ein kleines Konchenstück befunden. Bereits beim ersten Bissen sei deshalb die Zahnbrücke gebrochen. Das dürfe nicht sein. Die Betreiber der Gaststätte hätten die Pflicht, ein Steak vor dem Zubereiten auf Knochenstücke hin zu untersuchen. Man müsse als Gast nicht damit rechnen, dass ein Steak Knochenstücke enthalte.

Als der Schaden nicht beglichen wurde, klage der Mann gegen das Ehepaar vor dem Amtsgericht. Der zuständige Richter wies die Klage ab. In der Begründung stellte er klar, dass
ein Verkäufer von Lebensmitteln oder ein Gastwirt zwar grundsätzlich erhöhte Sicherheitsanforderungen zu erfüllen haben, da sie Lebensmittel an Endverbraucher ausgeben. Der Verbraucher dürfe deshalb auch davon ausgehen, dass der Gastwirt sich eingehend mit dem Naturprodukt befasst, dessen Gesundheitsrisiken erkannt und beseitigt hat, soweit dies möglich und zumutbar ist. Den Sicherheitserwartungen der Verbraucher seien aber durch die natürliche Beschaffenheit von Lebensmitteln Grenzen gesetzt. So habe bereits der Bundesgerichtshof die Haftung eines Bäckers gegenüber einem Kunden verneint, der beim Verzehr eines Kirsch-Streusel-Gebäcks auf einen Kirschkern gebissen und dabei ein Stück Zahn verloren hatte.

Der Richter am Amtsgericht weiter zum konkreten Fall: Auch ein nur durchschnittlich gebildeter Verbraucher wisse, dass es sich bei Fleisch um ein Produkt handelt, welches vom Tier stammt. Somit seien in der ursprünglichen Form des Fleisches Knochen vorhanden, die bei der Zerteilung und Herstellung verbrauchsfertiger Portionen noch entfernt oder bearbeitet werden müssen. Der Kläger habe daher nicht ohne weiteres erwarten können, dass das Steak - auch wenn ein solches gewöhnlich knochenfrei ist - tatsächlich nicht doch noch Knochenreste aufweisen würde. Anders wäre dies allenfalls zu beurteilen, wenn die beklagten Wirtsleute ihr Gericht ausdrücklich als "knochenfrei" angepriesen hätten. Das sei jedoch nicht der Fall gewesen.

Nach Auffassung des Gerichts könne den Gastwirten auch nicht zugemutet werden, das von ihnen zubereitete Fleisch auf kleinste Knochenteile hin zu untersuchen. Auch der Kläger, der das Fleisch vor dem Verzehr sicherlich nochmals zerteilt und anschließend zum Mund geführt hat, habe offensichtlich das Knochenstück nicht erkennen können. Dies spreche dafür, dass es sich tatsächlich um ein äußerst kleines Teil im Inneren des Steaks gehandelt habe. Ein solches Stück müsse nicht mit jedem erdenklichen Aufwand aufgespürt und beseitigt werden. Zumal die darin liegende Gesundheitsgefahr für den Verbraucher eher als gering einzustufen sei. Letztlich gehöre dies zum allgemeinen Lebensrisiko, welches nie ganz zu beseitigen sei.

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