Einbrüche in Wohnhäuser und Kneipen im Saarland Diebe über Generationen: Frau nach Einbruchserie zu Haftstrafe verurteilt

Saarbrücken · Als die angeklagte Frau ein Kind war, fuhren sie ihre Eltern angeblich zu Geschäften, um zu stehlen. Heute ist das Mädchen von damals 51 Jahre alt und selbst Mutter. Sie sitzt in Haft wegen einer Einbruchserie, bei der zumindest eines ihrer Kinder mitgemacht haben soll. Das wäre die dritte Generation von Dieben in der Familie.

  Mehr als 50 vollendete oder versuchte Einbrüche im Saarland sollen eine Frau (51) und ein Mann  (23) verübt haben. (Symbolfoto)

Mehr als 50 vollendete oder versuchte Einbrüche im Saarland sollen eine Frau (51) und ein Mann (23) verübt haben. (Symbolfoto)

Foto: dpa/Silas Stein

Seit mehr als 100 Jahren streiten Kriminalwissenschaftler darüber, ob die individuellen Charakterzüge oder die Umweltfaktoren einen Menschen zum Kriminellen machen. Beides dürfte wohl eine Rolle spielen und sich in manchen Fällen wechselseitig verstärken. So wie im Fall einer 51 Jahre alten Deutschen aus dem Saarland, die das Landgericht Saarbrücken nach einer Einbruchserie zu vier Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt hat.

Betroffene listen 500 000 Euro Schaden auf

Gemeinsam mit einem 23 Jahre alten Bekannten, dessen Prozess im Oktober weitergeht, soll die Frau zwischen 2013 und 2016 in mehr als 50 Wohnhäuser, Kneipen und Clubheime im Raum Saarlouis/Dillingen/Merzig eingebrochen sein. Dort sollen sie nach Angaben der Geschädigten Schmuck, Wertsachen, Elektrogeräte und Autos im Wert von 387 000 Euro erbeutet und einen Gesamtschaden von mehr als 500 000 Euro verursacht haben. Laut Aussage der beiden Angeklagten sind diese Zahlen überhöht. Außerdem soll der 23-Jährige regelmäßig den Löwenanteil der Beute behalten haben. Oder sinngemäß mit den Worten des Verteidigers der Frau: „Der Mann nahm sich die Scheine und sie bekam die Münzen. So ein Sack mit Münzen ist eine tolle Sache für jemanden, der spielsüchtig ist und sich damit vor den Geldspielautomaten setzen kann.“

Spielsucht führt zu verminderter Schuldfähigkeit

Diese Spielsucht auf der Basis der besonderen Persönlichkeitsstruktur der 51-Jährigen führte dazu, dass die Richter des Landgerichts der Frau verminderte Schuldfähigkeit zubilligten. Daraufhin verhängten sie nach Einstellung von etwa 50 eher geringfügigen Teilaspekten der Anklage für die Serie von insgesamt 43 verbliebenen Straftaten mit vier Jahren und drei Monaten Haft „eine eher milde Strafe“. Die Angeklagte reagierte darauf teils wütend, teils überrascht, teils geschockt. Sie scheint auf eine Haftstrafe mit Bewährung gehofft zu haben. Ähnlich wie in vielen anderen Fällen, in denen sie seit früher Jugend vor Gericht stand.

Als kleines Mädchen von den Eltern zum Stehlen animiert?

Nach eigener Aussage bei der psychiatrischen Sachverständigen soll die Angeklagte bereits im Alter von neun/zehn Jahren angefangen haben, Lebensmittel und Zigaretten für die Eltern zu klauen. Diese hätten das entsprechende Tun ihrer Tochter nicht unterbunden sondern gefördert. Sie hätten das Mädchen sogar zu Geschäften gefahren, um dort Weihnachtsgeschenke zu stehlen. Diese Einstellung, wonach das Eigentum anderer Leute offenbar eine Art Selbstbedienungsladen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse zu sein scheint, blieb nicht ohne Folgen. Als Jugendliche und Heranwachsende stand die Angeklagte von heute mehrfach wegen Diebstahls vor Gericht, musste sogar eine Jugendstrafe im Gefängnis verbüßen. In den darauf folgenden zehn Jahren folgten fünf weitere Verurteilungen der jungen Frau zu Bewährungsstrafen wegen Eigentumsdelikten. Sie war zwischenzeitlich verheiratet und Mutter mehrerer Kinder.

Erster Ehemann angeblich Alkoholiker und gewalttätig

Ihr erster Ehemann soll nach Aussage der Angeklagten Alkoholiker und gewalttätig gewesen sein. Nach der Trennung von ihm habe sie wieder geheiratet und ein Kind bekommen. Die neue Familie habe ihr gut getan und sie stabilisiert. Aber dann sei ihr ältester Sohn aus erster Ehe trotz diverser Maßnahmen der Jugendhilfe abgerutscht und kriminell geworden. Im Alter von 15 Jahren habe er zum ersten Mal ins Gefängnis gemusst. Anschließend sei auch ihr zweiter Sohn aus erster Ehe kriminell geworden und ins Gefängnis gekommen. Es sei immer wieder um Drogen gegangen - und zwischenzeitlich um mehrjährige Haftstrafen für den Nachwuchs wegen Drogendelikten, Diebstahls oder Körperverletzung.

„Ich habe mich frei gefühlt, wenn ich am Automaten gespielt habe“

Vor diesem Hintergrund, so die Angeklagte, habe sie sich von ihrem zweiten Ehemann im Guten getrennt, damit nicht auch noch ihr jüngster Sohn kriminell wird. Sie habe als Putzhilfe, in Fabriken oder in Gaststätten gearbeitet. Ende 2008 habe sie angefangen an Geldautomaten zu spielen. Wann immer etwas passierte, wann immer einer ihrer Söhne wieder in Haft kam, sei sie spielen gegangen: „Ich bin in das Spielcasino, habe die Tür zu gemacht und meine Probleme vor der Tür gelassen.“ Schließlich sei das jeden Tag so gewesen. „Ich habe mich frei gefühlt, wenn ich am Automaten gespielt habe. Der Automat war mein Freund. Er hat mir zugehört.“

Gutachterin spricht von Persönlichkeitsstörung

Aus Sicht der psychiatrischen Gutachterin leidet die Angeklagte seit früher Kindheit unter einer Persönlichkeitsstörung. Diese sei geprägt durch eine massive Unsicherheit und zudem durch psychopatische Merkmale (wie einem eingeschränktem Verständnis für soziale Regeln und einem eingeschränkten Unrechtsbewusstsein mit Blick auf das eigene Tun). Diese Störung sei die Basis geworden für das pathologische, krankhafte Spielen der Angeklagten. Die 51-Jährige habe sich geschämt für ihre eigene Delinquenz, für ihre strafrechtliche Vorgeschichte und für ihr Leben. Das Glücksspiel habe ihr ermöglicht, diese Sorgen kurzzeitig zu vergessen. Gleichzeitig seien die Probleme dadurch aber massiv verstärkt worden. Ein Teufelskreis.

Spielsucht als Mitursache für Einbrüche

Der mitangeklagte 23-Jährige hatte dazu zum Auftakt des Prozesses gesagt: Die Frau habe ständig Geld wegen ihrer Spielsucht gebraucht. Er habe auch immer Geld gebraucht. Also hätten sie in ihrer Umgebung lohnende Ziele ausgespäht und seien in Gaststätten, Clubheime oder Wohnhäuser eingebrochen. In den Lokalen hatten sie es besonders auf Spielautomaten abgesehen. In den Wohnhäusern auf Wertsachen sowie EC-Karten nebst Pin, mit denen sie Geld abhoben. Dabei machte das Duo nach eigener Aussage auch vor der eigenen Familie oder dem Haus einer kurz zuvor verstorbenen Frau nicht Halt. In einem Fall brachen sie in das Haus des Onkels des 23-Jährigen ein, als der im Urlaub war. In einem anderen Fall brachen sie in das Haus einer Toten ein. Bei einigen dieser Einbrüche soll laut Anklageschrift zumindest eines der Kinder der Angeklagten aus erster Ehe dabei gewesen sein. Die 51-Jährige weist eine solche Beteiligung ihrer Kinder weitgehend zurück. Dies gilt sogar in einem Fall, wo eines der Kinder bei der Polizei angeblich bereits seine Beteiligung zugegeben hat.

Angeklagte hofft auf „noch eine kleine Chance“ im Leben

Die Angeklagte, die zwischenzeitlich Großmutter geworden ist, fühlt sich offenbar mitverantwortlich für das Schicksal ihrer Familie. Sie sagte in ihrem letzten Wort vor Verkündung des Urteils: „Ich sitze jetzt acht Monate in Untersuchungshaft und hatte Zeit zum Nachdenken. Darüber, was ich meinen Kindern angetan habe.“ Und dann sagte sie unter Tränen: „Ich will nach meiner Inhaftierung ein anständiges Leben führen. Ich will halt noch eine kleine Chance.“

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