Schülerin (15) läuft weg und lebt bei Ex-Freund der Mutter – Ist das erlaubt?

Saarbrücken · Wie weit geht das Recht einer 15-Jährigen auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit? Und welche Grenzen setzt das Strafrecht durch Delikte wie sexuellen Missbrauch und Entziehung Minderjähriger?

 SymbolbildLocation:Karlsruhe

SymbolbildLocation:Karlsruhe

Foto: Uli Deck/dpa


Das Landgericht Saarbrücken hat in zweiter Instanz einen heute 43 Jahre alten Mann vom Vorwurf der Entziehung Minderjähriger freigesprochen. Der mehrfach vorbestrafte Angeklagte hatte im Frühjahr 2015 etwas mehr als einen Monat lang mit einer 15 Jahre alten Schülerin zusammengelebt, nachdem diese von zu Hause weggelaufen war. Das Amtsgericht Neunkirchen hatte den Angeklagten Anfang 2016 deshalb und wegen einer völlig anderen Straftat zu 22 Monaten Gefängnis ohne Bewährung verurteilt. Dieses Urteil wurde nun aufgehoben. Der 43-Jährige wurde aus der Untersuchungshaft entlassen und bekommt Haftentschädigung.
Der mehrfache Vater und die Schülerin waren sich näher gekommen, als der Mann ein Verhältnis mit der Mutter des damals 14 Jahre alten Mädchens hatte. Der leibliche Vater der Schülerin, bei dem sie zeitweise wohnte, erstattete daraufhin Anzeige wegen Verdachts des sexuellen Missbrauchs. Die leibliche Mutter des Mädchens schloss sich dieser Anzeige nach einem Gespräch mit dem 42-Jährigen und ihrer Tochter nicht an. Grund: Die beiden hätten ihr gesagt, dass sie sich lieben. Und Sex hätten sie erst gehabt, als das Mädchen bereits 15 Jahre alt war. In der Nacht vor seiner Vernehmung bei der Polizei zu diesem Thema schlief das Mädchen in der Wohnung seines Vaters. Über die Terrassentür lief die Schülerin weg und ging zum Angeklagten. Anschließend lebte das Paar zunächst bei verschiedenen Bekannten des Mannes und zuletzt in einem Hotel.

Unterdessen wurde das Mädchen landesweit als vermisste Person gesucht. Die Polizei hatte dabei auch den späteren Angeklagten als mögliche Kontaktperson im Visier, konnte ihn aber nicht finden. Aber es wurde telefoniert. Die Schülerin rief ihre Mutter an und gratulierte ihr zum Geburtstag. Sie wollte aber auf deren Vorhalte über den Angeklagten wegen dessen Alter, dessen Kinderzahl und dessen Haftstrafen nicht eingehen. Und der Angeklagte telefonierte mit der Polizei. Er erklärte, dass er und seine Freundin sich lieben und heiraten wollen, wenn das Mädchen 16 Jahre alt ist. Wo sie ist, werde er aber nicht sagen.

Wenig später konnte die Polizei den späteren Angeklagten festnehmen. Die 15-Jährige flüchtete zunächst noch aus dem Hotel und meldete sich tags darauf völlig durchnässt bei der Polizei. Ihre Beziehung mit dem Angeklagten ist zwischenzeitlich beendet. Der 43-Jährige soll eine neue, 16 Jahre alte Freundin haben. Mit ihr will er angeblich auswandern. Seine frühere Freundin trat jetzt vor Gericht unter Ausschluss der Öffentlichkeit als Zeugin auf. Sie berichtete dem Vernehmen nach, dass ihr damals der Streit mit dem Vater, der Verdacht des sexuellen Missbrauchs und all das zu viel gewesen sei. Deshalb sei sie weggelaufen. Dies sei ihr freier Entschluss gewesen. Und mit dem Angeklagten habe sie eine sehr schöne Zeit gehabt.

Vor diesem Hintergrund war der Vorwurf der Entziehung der Minderjährigen durch List gegenüber Eltern und Polizei aus Sicht des Gerichts nicht zu halten. Die im Gesetz geforderte List gegenüber den Sorgeberechtigten erfordere mehr als das bloße Verschwiegen des Aufenthaltsortes. Und ein solches "Mehr" sei im konkreten Fall nicht gegeben. Das gelte auch für den in einer solchen Konstellation grundsätzlich denkbaren Verdacht eines sexuellen Missbrauchs. Dieses Delikt sei in der Regel nur strafbar, wenn das Opfer ein Kind unter 14 Jahren sei. Aber hier gehe es um eine junge Minderjährige im Alter von damals 15 Jahren. Diese Minderjährige habe eine Entscheidung als freier Mensch getroffen und umgesetzt. Das sei der eigentliche Punkt in der Sache. Um ihr gerecht zu werden, müsse man genau hinsehen. Und sich frei machen von der Vorstellung über all die Dinge im eigenen Kopf, wenn man hört: da ist ein 14/15-Jähriges Mädchen mit einem 42 Jahre alten Mann durchgebrannt.

Hier geht's zur Diskussion zum Artikel auf Facebook

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort