Strafprozess wegen Kindesmisshandlung Prozessauftakt: Stiefmutter soll kleinen Jungen übel gequält haben

Saarbrücken · Rund 14 Jahre lang soll eine Saarländerin ihren Stiefsohn misshandelt und gedemütigt haben. Der Vater soll es gewusst und weggesehen haben. Nun stehen beide vor Gericht. Zum Prozessauftakt redeten die Richter den Angeklagten ins Gewissen.

Wegen Verdachts der schweren Misshandlung eines Schutzbefohlenen muss sich ein Ehepaar aus dem Nordsaarland vor dem Landgericht in Saarbrücken verantworten. Die Anklageschrift wirft der heute 53 Jahre alten Ehefrau vor, den leiblichen Sohn ihres Ehemannes im Alter zwischen drei und 17 Jahren regelmäßig gequält, gedemütigt, misshandelt und vernachlässigt zu haben. Durch diese Taten vor Augen der Patchwork-Familie soll der Junge bis heute erkennbare körperliche Spuren davongetragen haben. Der Vater (54) soll von den Misshandlungen gewusst aber weggesehen und beim Vertuschen nach außen geholfen haben. Ihm wird deshalb mögliche Mittäterschaft durch Unterlassen zur Last gelegt.

Anklage listet Misshandlungen und Demütigungen auf


Die körperlichen Übergriffe gegen den Jungen sollen in dessen viertem Lebensjahr begonnen haben. Nach dem Tod seiner leiblichen Mutter war das Sorgerecht dem Vater zugesprochen worden und der Junge lebte fortan mit mehreren (Stief)geschwistern in der neuen Familie seines Vaters. Während der Mann arbeitete, habe sich die Frau als Hausfrau und Mutter um die Kinder gekümmert. Dabei soll sie den Stiefsohn nahezu täglich gequält und misshandelt haben. Der Junge habe in der Badewanne oder auf dem Boden schlafen müssen. Er sei geschlagen, getreten und an die Wand geschubst worden. Er sei nur unzureichend ernährt worden, habe häufig nur Cornflakes, Haferflocken mit Wasser, teils alte Lebensmittel oder Essensreste der anderen Familienmitglieder erhalten. Er soll Knochenbrüche und andere Verletzungen erlitten haben, die nur schwer oder nicht richtig verheilten. Die Details sind in der Anklageschrift aufgelistet. Dort steht auch, wie sich der Junge im Alter von 17 Jahren selbst von seiner Familie getrennt hat. Er sei geflohen, habe zeitweise auf der Straße gelebt und sich dann den Behörden offenbart.

Bei Geständnis der Angeklagten: Keine Aussage des Sohnes erforderlich


Der mittlerweile erwachsene Sohn soll an den nächsten beiden Prozesstagen ab Ende April als Zeuge gehört werden. Beide Angeklagte haben sich bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert. Der Vorsitzende Richter belehrte sie insoweit nach Verlesung der drastischen Anklage besonders eindringlich: Es stehe jedem Angeklagten zu, sich nicht zu den erhobenen Vorwürfen zu äußern. Dies sei sein gutes Recht. Gleichzeitig sei aber zu beachten, dass sich ein ehrliches Geständnis deutlich strafmildernd auswirke. Dies gelte umso mehr, wenn man mit diesem Geständnis dem Opfer einer Straftat eine langwierige und unangenehme Aussage vor Gericht ersparen kann. Diese positiven Folgen eines ehrlichen Geständnisses führen nach der ständigen Rechtsprechung der Gerichte im Ergebnis zu einer Milderung der eigentlich angemessenen Strafe um ein Drittel.

Der Vorsitzende Richter weiter: Im vorliegenden Fall gebe es ausführliche Angaben des Sohnes bei den Ermittlern. Es gebe zudem ein sehr ausführliches Gutachten der Rechtsmedizin, wonach bestimmte bis heute sichtbare Spuren am Körper des Jungen dessen Aussagen wohl bestätigen. Außerdem gebe es ein noch ausführlicheres, vorläufiges aussagepsychologisches Gutachten, wonach die Angaben des jungen Mannes zumindest teilweise erlebnisfundiert sein dürfen. Fazit des Richters in Richtung der beiden Angeklagten: "Sie sollten sich gut überlegen, wie Sie sich hier verhalten wollen." Der Prozess wird Ende April fortgesetzt. Bei einer Verurteilung droht den Angeklagten nach derzeitigem Stand eine Haftstrafe ohne Bewährung.

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