Witwe von Millionenbetrüger steht vor den Scherben ihres alten Lebens

Saarbrücken · Eine Saarländerin kämpft sich zurück in ein ehrliches Leben. Ihr verstorbener Mann und sein Kompagnon hatten zwei Versicherungen um Provisionen in Millionenhöhe geprellt. Die Männer mussten ins Gefängnis. Nun stand die Witwe wegen Beihilfe vor Gericht.

 Symbolfoto.Location:Frankfurt (Oder)

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Foto: Patrick Pleul (dpa-Zentralbild)

Das Landgericht hat eine 61 Jahre alte Frau aus dem Saarland wegen Beihilfe zum Millionenbetrug zu einem Jahr und neun Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Die Frau ist die Witwe des früheren Inhabers einer Versicherungsagentur in der Landeshauptstadt. Der Mann und sein Kompagnon hatten zwischen 2009 und 2013 mit Scheinverträgen über private Lebens- und Rentenversicherungen zwei große Versicherungskonzerne um Provisionen in der Größenordnung von zehn Millionen Euro geprellt. Die Männer wurden deshalb im Sommer 2014 zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt (wir berichteten). Kurze Zeit später starb der 61-jährige Ehemann der Angeklagten nach längerer Krankheit.

Seine Frau hatte nach einem Herzinfarkt des Mannes im Jahr 2011 angefangen, in der Versicherungsagentur bei Organisation und Verwaltung zu helfen. Sie stand deshalb nun wegen Beihilfe vor Gericht und wurde verurteilt. Mit auf der Anklagebank saßen zwei frühere Telefonistinnen der Agentur und ein ehemaliger Versicherungsmitarbeiter. Sie wurden jeweils freigesprochen. Im Gegensatz zu der Witwe des Ex-Chefs der Agentur wussten sie nach Feststellung des Gerichts nichts von den kriminellen Geschäften der Agentur.
Auch die 61-Jährige, die heute als geringfügig Beschäftigte arbeitet und in einer kleinen Mietwohnung lebt, wusste nach eigener Aussage lange Zeit nicht, wie ihr Mann genau das Geld für die Familie verdient. "Wir hatten eine sehr glückliche Ehe und viel Zeit gemeinsam verbracht", berichtete die Frau. Sie sei für das Häusliche zuständig gewesen - und er fürs Geschäft. Und wenn sie etwas fragte, dann habe ihr Ehemann immer geantwortet, dass sie sich keine Sorgen machen müsse. Er und sein Kompagnon würden alles regeln.

Wie dieses "regeln" genau aussah, das ergibt sich aus den Akten der Strafverfolger. Demnach hatte die Agentur im Jahr 2009 einen finanziellen Engpass. Daraufhin seien die Betreiber auf die Idee gekommen, Scheinverträge zu schaffen und dafür von den Versicherungen Provision zu kassieren. Sie sprachen Kunden ihrer Agentur an und brachten diese dazu, auf dem Papier sehr hohe Lebens- und Rentenversicherungen abzuschließen. Die Beiträge dafür zahlten aber nicht die Kunden sondern die Versicherungsagentur. Anschließend wurden die Verträge so früh wie möglich gekündigt. Und von der Rückerstattung (Rückkaufwert) bekamen die Kunden 15 Prozent, der Rest ging an die Agentur. So entwickelte sich nach und nach ein Schneeballsystem, dass aus immer höheren Provisionen gespeist werden musste. Auch das Volumen der einzelnen Verträge und Monatsbeiträge wurde höher, bis hin zu einer monatlichen Prämienrate von 8000 Euro für eine Lebensversicherung über 3,23 Millionen Euro.

Von all dem und dem dahinter stehenden Geflecht von internen Hin- und Herbuchungen ahnte die Angeklagte zunächst nichts. Aber nach einem Herzinfarkt ihres Mannes und dem Ausscheiden des bisherigen Buchhalters fing sie an, in der Buchhaltung zu helfen. Dabei fielen ihr die stetig steigenden Einnahmen und Ausgaben auch für den eigenen, luxuriösen Lebensunterhalt auf. Daraufhin habe sie zu ihrem Mann gesagt: "Ich finde das nicht gut." Er solle weniger arbeiten, an seine Gesundheit denken und kürzer treten. Und wenn sie Geld übrig hätten, sollten sie es sparen.

Die 61-jährige Angeklagte weiter: Über diese Thema habe es anschließend oft Streit gegeben. Irgendwann - während eines Urlaubs mit viel Zeit füreinander - sei ihrem Mann der Kragen geplatzt. Er sei richtig wütend geworden und habe ihr alles erklärt. Die Reaktion der Frau: "Ich war entsetzt und sagte, er solle sofort mit dem Betrug aufhören." Aber er habe nur geantwortet: "Das geht jetzt nicht mehr. Es würde uns ruinieren." Und auch die Familie des Kompagnons und Freundes. Also habe sie ihr neues Wissen für sich behalten und ihrem Mann weiter im Büro geholfen, so die Angeklagte. "Ich war zu schwach, um das Ganze gegen den Willen meines Mannes zu beenden." Wie auch? "Ich hätte das doch nur mit einer Strafanzeige gegen meinen Ehemann machen können". Im Frühjahr 2013 habe ihr Mann dann einen schweren Schlaganfall erlitten. Und ihr sei sofort klar gewesen, dass damit das ganze betrügerische System zusammenbrechen würde. "Und so kam es dann ja auch."

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