Reise Irgendwo im Nirgendwo

Ksar Ghilane · Wer bis zum tunesischen Teil der Sahara vordringt, stößt auf ein Camp, in dem eine Nacht zum unvergesslichen Erlebnis werden kann.

 Das Dünenmeer vor dem tunesischen Camp Zmela. Der harte Spaziergang lohnt sich – am anderen Ende wartet der Ausblick auf den Berg Tembain.

Das Dünenmeer vor dem tunesischen Camp Zmela. Der harte Spaziergang lohnt sich – am anderen Ende wartet der Ausblick auf den Berg Tembain.

Foto: Fatima Abbas

Wenn plötzlich Sandkörner im Auge jucken und einem der Gedanke kommt, dass sich die Landung auf dem Mond in etwa so anfühlen muss, dann Willkommen im Camp Zmela. Oder wie es am Eingang zur Sahara in Großbuchstaben heißt: „Bienvenue à Zmela“. Dort, wo es statt Handyempfang Sonnenaufgänge zu bestaunen gibt, wo sich ein Meer aus Sand erstreckt, aber weit und breit kein Strand ist. Wer das tunesische Wüstencamp Zmela über Google Maps sucht, findet es tatsächlich – trotz aller Abgeschiedenheit. Doch es bleibt beim Standort, jegliche Routenplanersuche endet in der digitalen Sackgasse. Ob hier niemand herfinden soll? Oh doch, aber bitte in Maßen.

Die genaue Wegbeschreibung zum Camp samt Koordinaten findet sich auf dessen Webseite unter dem Menüpunkt „Zugang“. Auch unter „Das Wüstencamp Zmela“ stehen wichtige Infos: Ohne Allradantrieb sollten Besucher nur bis zum 20 Kilometer entfernten Ksar Ghilane fahren, wo die Camp-Betreiber sie auf Wunsch abholen. Für die Abenteuer-Fahrt ins ockerfarbene Nirgendwo. Dorthin, wo 50 Zelte dem Wüstenwind standhalten. Familienzelte und Einzelquartiere mit zwei Betten und mehreren Decken. Der perfekte Ort, um Seele und Füße baumeln zu lassen – während das achtköpfige Team von Campbetreiber Omar Ben Salem diskret in der Küche wuselt, an Speisen bastelt und auf Wunsch Kaffee, Tee oder Wein serviert. WCs sind in der Nähe, mit oder ohne Dusche.

Wer glaubt, dass es in der Wüste immer warm ist, wird hier vor allem nachts eines Besseren belehrt. Um nicht im Zelt zu bibbern, empfiehlt sich ein Besuch im April oder im Oktober. Wenn nicht gerade Hochsommer ist, sind warme Kleidung und Schlafsack ein Muss, Halstuch und Sonnenbrille gegen fliegende Sandkörner hilfreich. Der Dünengang mit seinen Höhen und Tiefen ist körperlich anstrengend. Die Sportlichen, die alle Dünenhürden bezwingen, können am anderen Ende zur Belohnung einen weiten Blick auf den Berg Tembain werfen.

Den Auf- und Abspaziergang kann man dank Kichererbsenpaste mit Sesam und Anis gut sacken lassen. Oder mit Couscous, Gemüse und Lamm. Die Hartgesottenen wagen sich an die scharfe Gewürzpaste Harissa.

Doch bevor das Team im großen Speisezelt das traditionelle Berberessen auf dem Tisch drapiert, braucht es frisches Brot. Frisch aus dem Sand, versteht sich. Beim Zeltlagerfeuer können die Besucher dem alternativen Brotbacken beiwohnen. Dabei kann man vorher nie wissen, wer neben einem Platz nimmt. Ob es ein Stammbesucher-Paar aus Frankreich ist oder junge, gut ausgebildete Exil-Tunesier. In die Feuerrunde gesellt sich auch mal eine traditionelle tunesische Großfamilie mit Kindern.

Alle staunen und starren, wenn Mitarbeiter Abdallah seinen Brotteig auf ein Tuch schwingt, während er mit einer Eisenstange die heißen Kohlen auf dem Sand verteilt. Nach ein paar Sekunden wirft er die rohe Masse in die rot-graue Glut. Erst „Ah“- und „Oh“-Rufe. Dann „Wow“-Rufe, als er den Teig auch noch mit Asche und Sand bedeckt. Bis schließlich nach 20 Minuten ein frisches Brot aus dem Wüstenboden schlüpft. Das muss bei Berbergesang im großen Zelt gegessen und gefeiert werden. Zwischen Diwans und Kopfkissen tanzen die Gäste zu den traditionellen Instrumenten Riq und Darbuka.

 Karte Tunesien

Karte Tunesien

Foto: SZ/Steffen, Michael

Am Abend ziehen sie sich wieder in ihre vier Zeltwände zurück. Idealerweise mit Taschenlampe und Schaumstoff-Stöpseln für die Ohren, falls der Wüstenhahn wieder zu laut kräht oder ein Schnarchender seine Nachbarn beschallt. Die Zelte liegen nämlich dicht beieinander. Irgendwo im Nirgendwo ist man nicht immer alleine.

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