Von Süden nach Norden Bei 40 Grad durch den Grand Canyon

Flagstaff · Wer die berühmte Schlucht besonders intensiv erleben will, kann sie in zwei Tagen durchwandern. Das ist hart, aber es lohnt sich.

 Beim Abstieg in den Grand Canyon bietet sich Wanderern ein beeindruckendes Panorama.

Beim Abstieg in den Grand Canyon bietet sich Wanderern ein beeindruckendes Panorama.

Foto: dpa-tmn/Sirena Dufault

Kaum ein Reisender im Westen der USA lässt den Grand Canyon links liegen. Der zugehörige Nationalpark feiert in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen. Mehr als sechs Millionen Menschen besuchen jedes Jahr die gewaltige Schlucht, die der Colorado River geschaffen hat. Wer dem Trubel entgehen will, steigt hinab und wandert in zwei Tagen einmal quer durch den Canyon.

Vom South Rim, der Südkante auf 2200 Metern Höhe, gibt es zwei Routen. Der Bright Angel Trail ist im oberen Teil noch viel begangen. Weniger bevölkert ist der South Kaibab Trail. Auf diesem sind es elf Kilometer bis zum Fluss – ohne Wasserstelle zwischendurch.

Wer die längere und somit nicht ganz so steile Variante über den Bright Angel Trail wählt und sehr früh startet, entgeht den Strömen der Tageswanderer. Die meisten legen nur die sieben Kilometer bis Indian Garden zurück, einer kleinen Oase am Garden Creek. Sie wandern dann noch drei Kilometer bis zum Plateau Point, der Aussicht auf den 400 Meter tiefer fließenden Colorado bietet, und am selben Tag wieder zurück.

Indian Garden ist eine echte Oase mit Bachlauf, Bäumen und Zikaden. Sie eignet sich für eine längere Pause. Hinter dem kleinen Canyon des Garden Creek geht es die letzten Höhenmeter bis zum Colorado in Serpentinen steil abwärts. Die Wegstrecke heißt Devil‘s Corkscrew, Korkenzieher des Teufels. Hier gibt es keinen Schatten, die Sonne brennt gnadenlos herab auf die ältesten Gesteinsschichten des Grand Canyon. Der weiße Sand reflektiert die Hitze von unten zurück. Nur Grasbüschel und einige niedrige Sträucher wachsen hier, mehr nicht. In der Mittagszeit sind es 40 Grad.

Karg ist es am Ufer des Colorado, dessen braunes Wasser mit hoher Geschwindigkeit durch die Schlucht fließt. Rechts und links des breiten Flusses steigt das Ufer flach an. Die typischen terrassenförmigen Felsformationen des Canyons aus rot gefärbtem Kalkstein türmen sich in einiger Entfernung auf.

Ab und zu tanzen Gummiboote über das Wasser, dann taucht endlich die Silberne Brücke auf, die 160 Meter lange Hängebrücke über den Fluss. Eigentlich ist die „Phantom Ranch“, das Gasthaus am Grund des Grand Canyons, nicht mehr weit. Aber in der Mittagshitze zieht sich der letzte Kilometer auf der anderen Flussseite.

Es geht entlang des Bright Angel Creek. Etwas abseits der Ranch, wo auch ein Campingplatz mit genug Fläche für 32 Zelte ist, stehen vier Holzhütten. Sie haben Klimaanlagen und je zehn Schlafplätze. Noch komfortabler sind die Häuschen für Gruppen von zwei bis maximal zehn Gästen, die beschattet von Pappeln und Platanen in einem Halbkreis zusammenstehen. Das Hüttendorf aus dem rot gefärbten Kalkstein wurde bereits in den 1920er Jahren angelegt.

Die Bewirtung am Abend ist rustikal. Es gibt Steak, Eintopf oder ein vegetarisches Gericht. Alles muss vorab reserviert werden, da Maultiere sämtliche Lebensmittel zur „Phantom Ranch“ transportieren – ebenso wie die Postkarten. Die Essenszeiten sind eng getaktet, pünktliches Erscheinen ist ratsam. Vier lange Tische mit sechs Plätzen an jeder Seite sorgen dafür, dass keine Distanz zum Nachbarn aufkommt.

Frühstück wird um fünf Uhr serviert. Ganz schön früh für salzige Erdnüsse, Energieriegel und einen Apfel. Als es eine halbe Stunde später hell wird, liegt die Temperatur immer noch oder schon wieder bei 30 Grad. Aber mit jedem Höhenmeter auf dem North Kaibab Trail wird die Luft kühler, auch der Wind bringt Erfrischung.

Der 22 Kilometer lange Wanderweg führt zum North Rim. Er ist deutlich weniger begangen als die Strecken auf der Südseite. Statt 1400 Höhenmeter sind hier fast 1800 Höhenmeter zu erklimmen, um die Nordkante des Grand Canyons auf 2515 Metern Höhe zu erreichen.

Die ersten elf Kilometer bis zum „Cottonwood Campground“ sind ein Wandergenuss. Der gut befestigte Weg führt schattig und sanft aufwärts. Nach und nach weitet sich die enge Schlucht, und der rot gefärbte Kalkstein verdrängt den grauschwarzen Schiefer. Höhepunkt kurz vor dem Campingplatz sind die Ribbons Falls: Wasserfälle, die wie ein Vorhang vor einer bemoosten Felswand herabstürzen. Sie liegen etwa einen halben Kilometer abseits des Wanderweges.

Auf einem weiteren Campingplatz lässt sich gut rasten, hier können Wanderer auch ihre Wasservorräte auffüllen. Das ist nötig. Denn der zweite Teil der Strecke fühlt sich an wie elf Kilometer Treppensteigen, teils auf schmalen Wegen und entlang steil aufragender Canyonwände.

Von hier sind es noch 1300 Höhenmeter zum Ziel. Allein auf den letzten beiden Meilen vom Supai Tunnel aus, der letzten kleinen Oase mit Wasserstelle zum Rasten, müssen 450 Höhenmeter bewältigt werden. Jede der gefühlt 100 Kehren bis zum sogenannten Trailhead ganz oben sieht gleich aus. Zudem ist es beschwerlich, auf dem sandigen Weg zu laufen. Doch nach mehr als zehn Stunden ist es geschafft.

 Besonders mutige Touristen trauen sich, mit dem Schlauboot den Colorado River hinunterzufahren.

Besonders mutige Touristen trauen sich, mit dem Schlauboot den Colorado River hinunterzufahren.

Foto: dpa-tmn/Geoff Gourley
 ARCHIV - Wiederholung zur aktualisierten Textfassung vom 29.11.18 - Zum Themendienst-Bericht von Steffi Machnik vom 25. Februar 2019: Der Indian Garden ist eine kleine Oase - ein guter Ort für eine Pause. Foto: Steffi Machnik/dpa-tmn - Honorarfrei nur für Bezieher des dpa-Themendienstes +++ dpa-Themendienst +++

ARCHIV - Wiederholung zur aktualisierten Textfassung vom 29.11.18 - Zum Themendienst-Bericht von Steffi Machnik vom 25. Februar 2019: Der Indian Garden ist eine kleine Oase - ein guter Ort für eine Pause. Foto: Steffi Machnik/dpa-tmn - Honorarfrei nur für Bezieher des dpa-Themendienstes +++ dpa-Themendienst +++

Foto: dpa-tmn/Steffi Machnik

Unspektakulär taucht der Wanderweg zwischen Birken und Kiefern aus dem Wald auf und endet auf einem kleinen Sandsteinplateau. Wer hier von Familie oder Freunden mit einem eisgekühlten Softdrink und einer Tüte Chips empfangen wird, genießt den persönlichen Triumph sofort – und schmiedet schon Pläne für die nächste Wanderung in den Canyon.

(dpa)
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