Reise Zu Besuch an Portugals Kabeljau-Küste

Furadouro · Nur wenige Touristen verirren sich in den Fischerort Furadouro. Wer es doch tut, wird mit frischem Fisch und langen Sandstränden belohnt.

 Nicht jeder, der Fische fangen will, braucht zwingend ein Boot. An Portugals Kabeljau-Küste sind häufig Strandangler zu beobachten.

Nicht jeder, der Fische fangen will, braucht zwingend ein Boot. An Portugals Kabeljau-Küste sind häufig Strandangler zu beobachten.

Foto: Helge Sobik

Aus der Lagune löst sich gerade der Morgennebel, und die ersten Strahlen der Sonne bemalen die Rümpfe der seltsam langen, schmalen Holzboote, die dort im seichten Wasser liegen. Das Licht des neuen Tages bringt ihre Farben zum Leuchten, als knipste es die Schiffchen an: das satte Gelb, das kräftige Grün, den roten Streifen unterhalb der Reling. Wie venezianische Gondeln sehen sie aus und sind nur wenig größer als diese.

Die Fischer sind bereits auf den Beinen, halten Angeln über Bord oder bringen ihre Netze im Brackwasser aus. Die Szenerie hat etwas Zeitloses, ist irgendwie aus der Welt gefallen. Aus der Gegenwart scheint nur das Post-Auto zu sein, das die Uferstraße entlangsurrt. Von irgendwoher bellt ein Hund, und irgendjemand pfeift ein Lied, dessen Melodie der leichte Wind neu sortiert.

Am Horizont, drüben am gegenüberliegenden Ufer, sind die Dächer von Aveiro sichtbar, in der Ferne befinden sich die Kai-Anlagen der portugiesischen Hochsee-Fischereiflotte von Ilhavo. Hunderte Schiffe sind früher von hier aus zum fünf Monate langen Kabeljau-Fang quer über den Atlantik vor die Küsten von Neufundland gestartet.

Nur zwölf sind es heute noch, und obwohl es seit Jahrzehnten Kühlungsmöglichkeiten gibt, werden die Fische noch immer an Bord zerlegt und in Salz gelagert, um sie zu konservieren. Ungekühlt. Weil die Portugiesen ihren Bacalhau so lieben und nicht anders haben wollen. Der Stockfisch ist ihr Nationalgericht, Aveiro und Ilhavo waren und sind die Hochburgen dieser Branche.

Wer früher als junger Mann auf große Fahrt nach Neufundland ging, der schaltet mit 55, dem Rentenalter für Hochseefischer, einen Gang zurück und fischt nun in der Lagune. Zum Spaß oder um noch ein bisschen nebenbei zu verdienen und die Ausbeute womöglich an einen der jungen, ambitionierten Köche der Restaurants der Umgebung zu verkaufen, die gerade wiederentdecken, was ihre unmittelbare Heimat an Köstlichkeiten hervorbringt.

Eine schmale Landzunge trennt die langgezogene Lagune vom Atlantik: breit genug für den Strand, für Dünen und Pinienhaine, für ein paar Querstraßen. Gerade stattlich genug für den Fischerort Furadouro und eine ganze Reihe fast versteckt in die Landschaft gewürfelter Ferienhäuser und ein paar Villen reicher Kaufleute aus Lissabon.

Viel los ist hier nur im August, wenn ganz Portugal Ferien hat. Der internationale Tourismus hat die Ecke bislang übersehen. Trotz all der Strände, trotz Dutzender Kilometer aus Sand und Dünen. Und trotz all der Sonne und des milden Wetters.

Es gibt bislang kaum größere Hotels in Furadouro, dafür immerhin eines in erster Reihe mit modernem Designer-Look, viel Weiß und klaren Linien. Die meisten Gäste kommen aus Portugal. Aber ein paar Entdecker aus Deutschland sind inzwischen auch dabei, ebenso aus Österreich und Holland. Leute, die abseits vom Rummel Urlaub machen und sich am Flughafen in Lissabon einen Leihwagen nehmen und Portugal besonders nah kommen wollen. Das geht am besten in der Provinz – hier, wo Lissabon drei Autostunden entfernt ist.

Nur im Örtchen Costa Nova ein kleines Stück weiter südlich ist die weite Welt schon angekommen. Dorthin zieht es sogar außerhalb der Saison ein paar mehr Fremde, zumindest auf Tagesausflug und vor allem, um ein paar Erinnerungsfotos zu schießen. Denn viele der älteren Häuser mit ihren spitzen Giebeln dort sind markant senkrecht gestreift: in rot-weiß, gelb-weiß oder blau-weiß, im Look einer Liegestuhl-Stoffbespannung. Warum das so ist? Die alte Dame, die gerade den Schlüssel im Schloss ihrer rot-weiß-gestreiften Haustür umdreht, zuckt mit den Schultern: „Ich weiß es auch nicht. Aber ich mag es leiden.“ Und darauf kommt es schließlich an.

Früher wohnten hier vor allem Fischer und Matrosen, die einfachen Leute. Kapitäne und die Besitzer der großen Kabeljau-Schoner waren traditionell drüben in Ilhavo auf der anderen Seite der Lagune zuhause und wohnten weit prächtiger. Heute gibt es kaum etwas Begehrteres, als eines der Streifen-Häuschen zu haben. Weil sie so sehr aus der Zeit gefallen wirken wie die Lagune und ihre Fischer. Und weil sie deshalb so gut hierher passen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort