Zukunft des Verbrennungsmotors Totgesagte leben länger

Dillingen · Der Verbrennungsmotor ist besser als sein Ruf. Seine Umweltbilanz lässt sich noch deutlich verbessern.

 Der Automobilzulieferer Nemak in Dillingen stellt Motorblöcke aus Aluminium im sogenannten CPS-Sandgussverfahren her. Der Produktionsprozess ist weitgehend automatisiert. Roboter setzen die Einzelteile der Formen zusammen, die später mit flüssigem Aluminium ausgegossen werden. In jedem Jahr entstehen auf den Dillinger Produktionsstraßen rund zwei Millionen solcher Kurbelgehäuse für eine ganze Reihe von Automobilherstellern.

Der Automobilzulieferer Nemak in Dillingen stellt Motorblöcke aus Aluminium im sogenannten CPS-Sandgussverfahren her. Der Produktionsprozess ist weitgehend automatisiert. Roboter setzen die Einzelteile der Formen zusammen, die später mit flüssigem Aluminium ausgegossen werden. In jedem Jahr entstehen auf den Dillinger Produktionsstraßen rund zwei Millionen solcher Kurbelgehäuse für eine ganze Reihe von Automobilherstellern.

Foto: nemak/Nemak

Wohin führt der Weg des Autos? In der politischen Diskussion scheint die Antwort bereits festzustehen. Die Ära des Verbrennungsmotors ist vorüber – Vorfahrt fürs Elektromobil. Denn der Verbrenner, namentlich der Diesel, ist eine Dreckschleuder, die unsere Innenstädte verpestet und dem Klima schadet, das E-Mobil dagegen ist der klimafreundliche Saubermann. Oder?

Pauschale Aussagen wie diese treiben Marcus Speicher und Robert Schlögl die Zornesröte ins Gesicht. Sie kennen sich nicht, doch befassen sich beide aus unterschiedlicher Perspektive mit demselben Thema. Der promovierte Ingenieur Marcus Speicher ist in der Geschäftsleitung des Dillinger Autozulieferers Nemak für Forschung und Produktentwicklung neuer Motoren zuständig, der Chemie-Professor Robert Schlögl leitet das Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion in Mühlheim an der Ruhr und befasst sich dort mit dem Lebenssaft der Automobilbranche: dem Treibstoff.

Beider Arbeit ist fürs Saarland von zentraler Bedeutung, denn 70 000 Arbeitsplätze, davon 1200 beim Dillinger Aluminium-Spezialisten Nemak, hängen an der Saar am Automobil.  Und das wird derzeit vom Verbrennungsmotor angetrieben. Hat der noch eine Zukunft? Auf diese Frage gibt Robert Schlögl eine kategorische Antwort. Einen Ausstieg aus dieser Technologie hält er für „Schwachsinn – das geht nicht“.

Der Chemie-Professor plädiert stattdessen für eine Änderung an zentraler Stelle: beim Treibstoff. Der werde immer noch auf der Basis 70 Jahre alter Normen destilliert. Was heute an der Tankstelle durch den Zapfrüssel in den Tank strömt, ist aus Sicht des Chemikers ein krudes Gemisch zahlreicher Kohlenwasserstoffe, die niemals optimal verbrennen können.Seine Alternative ist ein synthetischer Treibstoff, der mit Ökostrom aus einem klimaschädlichen industriellen Abfallprodukt erzeugt wird: Kohlendioxid. So ließe sich auf einen Schlag der Schadstoffausstoß heutiger Kraftfahrzeuge senken und eine neue Generation von Verbrennungsmotoren entwickeln, welche die Klimabilanz weiter verbessern soll.

Und überhaupt: die Klimabilanz. Die sei für den Elektroantrieb doch überhaupt nicht zu erstellen, wirft Marcus Speicher ein, da es für das wichtigste Bauteil des E-Mobils, die Batterie, keine verlässlichen Daten gebe. So sieht es auch Schwedens Umweltforschungsinstitut IVL. In einer Studie zu diesem Thema gehen die schwedischen Forscher davon aus, dass beim Bau eines Autoakkus 150 bis 200 Kilogramm Kohlendioxid pro Kilowattstunde Kapazität emittiert werden. Ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor müsste mehrere zehntausend Kilometer fahren, um diese Emissionswerte zu erreichen.

Aber auch in anderer Hinsicht kritisiert Marcus Speicher den Energiespeicher des Elektroantriebs. Ein größeres E-Mobil schleppe heute eine Batterie von bis zu 700 Kilogramm Gewicht herum. „Das ist fast so viel, wie mein erster Golf gewogen hat.“ Um diese Masse in Bewegung zu setzen, sei viel Energie notwendig – und das belaste zwangsläufig die Umweltbilanz des Stromantriebs.

 Der Dillinger Aluminiumspezialist, bei dem im Jahr über zwei Millionen Motorblöcke hergestellt werden, darunter sämtliche Vierzylinder-Zweiliter-Blöcke der Marke Jaguar und solche für BMW-Dieselmotoren, fährt in die entgegengesetzte Richtung. Er setzt auf Gewichtsersparnis. Zwischen 22 und 28 Kilogramm bringe ein Vierzylinder-Block aus Dillingen auf  die Waage, 15 Kilogramm weniger als in der Vergangenheit, erklärt Marcus Speicher. Eine Untersuchung der Unternehmensberatung Roland Berger zeige, dass in den kommenden Jahren durch Leichtbau beim sogenannten Flottenverbrauch eines Herstellers ebenso viel Kohlendioxid einzusparen sei wie mit der prognostizierten weiteren Verbreitung der Elektromobilität.

In der politischen Diskussion über das Elektroauto spielten solche diffizilen Fachfragen aber heute kaum eine Rolle, kritisieren unisono Marcus Speicher und Robert Schlögl. Beide plädieren für eine umfassende Grundsatzdiskussion zu diesem Thema, bevor bei einer so wichtigen Frage derart weitreichende Entscheidungen gefällt werden. Wobei der Direktor des Max-Planck-Instituts für Chemische Energiekonversion zusätzlich einwirft, die Autobranche selbst habe eine große Chance vertan, den synthetischen Kraftstoff rechtzeitig zu erforschen.  Dessen Potenzial sei aus der wissenschaftlichen Literatur bereits seit vier Jahrzehnten bekannt. Die Idee sei 2013 von der Industrie noch einmal aufgegriffen, aber dann ad acta gelegt worden. „Die Auto­­branche hat das verbaselt.“

Der Direktor des Max-Planck-Instituts sieht als Autoantrieb der Zukunft einen sogenannten Fuel-Processor – der Fachausdruck beschreibt ein Konzept, bei dem ein herkömmlicher Verbrennungsmotor elektrische Energie für eine kleine Batterie und einen Elektromotor erzeugt, der wiederum das Fahrzeug antreibt. Marcus Speicher sieht dagegen einen Mix aus konventionellen Verbrennungsmotoren und sogenannten Plugin-Hybrids als Lösung der Zukunft. Beim Plugin-Hybrid teilen sich ein Verbrennungs- und ein Elektromotor die Arbeit am Antriebsstrang.

Ob der synthetische Sprit, den Robert Schlögl als Lösung der Zukunft propagiert, wirklich so sauber ist, wie propagiert, soll jetzt genauer untersucht werden. Im Projekt Carbon2Chem werde ab dem Frühjahr des kommenden Jahres bei Thyssen-Krupp in Duisburg versucht, Hüttengase aus der Stahlproduktion als Rohstoff für synthetische Treibstoffe zu nutzen, erklärt der Chemie-Professor.

Im größten Stahlwerk Europas sollen aus dem Abgas Kohlendioxid und Wasserstoff zwei Millionen Tonnen Methanol pro Jahr erzeugt werden, das zum umweltfreundlichen Designersprit weiterverarbeitet werden soll. Um den Wasserstoff zu gewinnen, muss  mit elektrischer Energie Wasser in seine chemischen Bestandteile gespalten werden. Dieser Strom soll ausschließlich aus erneuerbaren Energien stammen. Das ist dann möglich, wenn zum Beispiel aus Windenergie mehr Strom ins Netz eingespeist wird als verbraucht werden kann. Dass das Verfahren funktioniert, sei lange bekannt. „Nachzuweisen, dass dabei wirklich CO2 eingespart wird, das ist das eigentliche Projekt“, erklärt Robert Schlögl.

Bis diese Technologie industriell im großen Maßstab anwendbar sein wird, könnten 15 Jahre ins Land gehen, heißt es auf der Internet-Homepage des Konsortiums  Carbon2Chem. Und das ist auch in etwa der Zeitraum, von dem der Dillinger Nemak-Geschäftsleiter Marcus Speicher heute in seinen Kalkulationen ausgeht. „Die nächsten 15 bis 20 Jahre verdienen wir unser Geld mit Verbrennungsmotoren.“ Robert Schögl geht einen Schritt weiter: „Es wird keine Energiezukunft geben, in der keine molekülgespeicherte Energie verwendet wird.“

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