Die erstaunliche Heilkraft der Meditation

Regelmäßige Entspannungsübungen halten unseren Körper gesund und verlangsamen den Alterungsprozess deutlich.

Viele Menschen schwören auf Meditation, auf Konzentrations-, Achtsamkeits- und Entspannungsübungen, die den Geist beruhigen, Stress abbauen und zu mehr Gelassenheit und geistiger Klarheit führen sollen. Andere halten das Meditieren für esoterisches Gedöns, ein lukratives Geschäftsfeld, in dem findige "Lehrer" mit windigen Angeboten schnelles Geld verdienen wollen.

Doch in jüngster Zeit hat sich auch die Wissenschaft ernsthaft damit beschäftigt, wie Meditation wirkt. Mittlerweile können Forscher in einzelne Zellen und Gene des menschlichen Körpers hineinschauen und so beobachten, was dort beim Meditieren geschieht. Es passiert Erstaunliches.

Für die umfassendste Studie, die bislang durchgeführt wurde, um die Wirkung von Meditation streng wissenschaftlich zu ergründen, begaben sich 30 Menschen, die allesamt über eine langjährige Meditationserfahrung verfügten, zu einem Seminar in die Berge des amerikanischen Bundesstaates Colorado. Die Teilnehmer absolvierten unter Anleitung eines erfahrenen Lehrers drei Monate lang Tag für Tag eine intensive Konzentrationsmeditation. Die Übungen zielten auf geistige Entspannung, Klarheit und Stabilität ab, zudem auf eine positive Einstellung sich selbst gegenüber und auf ein gesteigertes Mitgefühl für andere.

Bei den Untersuchungen zum Abschluss des Seminars fühlten sich alle Teilnehmer deutlich besser als zu Beginn. Sie waren widerstandfähiger und einfühlsamer sowie weniger ängstlich. Sie konnten sich länger konzentrieren und ihre gewohnheitsmäßigen Reaktionen besser hemmen, sie waren zielstrebiger und hatten eine positive Lebenseinstellung. Bei einer Nachuntersuchung fünf Monate später waren alle diese Effekte noch immer nachweisbar.

Nun gut. Aber dann folgte noch ein echter Hammer. Das Forscherteam der Universität von Kalifornien in Davis unter Leitung des Neurowissenschaftlers Professor Dr. Clifford Saron hatte den Teilnehmer des Seminars zu Beginn und zum Ende des Seminars auch Blut abgenommen. Die Wissenschaftler fischten mithilfe einer Zentrifuge die weißen Blutkörperchen (Leukozyten) aus dem Blut. In den Zellkernen dieser Blutzellen lagern, wie in anderen Zelltypen auch, die länglichen, nur einige tausendstel Millimeter großen, fadenförmigen Chromosomen, die das Erbgut (Gene) enthalten.

Die Enden der Chromosomen werden Telomere genannt. Sie schützen und stabilisieren die Chromosomen. Zellen teilen sich fortwährend, um neues Gewebe zu bilden. Dabei wird das Erbgut der Mutterzelle auf zwei neue Tochterzellen übertragen. Es entstehen frische, leistungsfähige Zellen, die den Körper lebensfähig halten. Doch bei jeder Zellteilung geht ein Stück der Telomere, der Schutzkappen am Ende der Chromosomen, verloren.

Die Telomere sind schließlich so kurz, dass sich die Zellen nicht mehr teilen können. Das ist eine wesentliche Ursache dafür, warum wir altern und warum das Risiko für Erkrankungen steigt. Telomer-Forscher arbeiten bevorzugt mit weißen Blutkörperchen. Denn deren Alterung weist zuverlässig auf ebensolche Veränderungen in den Blutgefäßen und im Herzen hin.

Zellen können jedoch ein wahres Wundermittel produzieren, das den Abbau der Telomere und somit den Alterungsprozess deutlich verlangsamt. Es handelt sich um ein Protein namens Telomerase. Die Forscher der Universität in Davis konnten beweisen: Meditation regt die Produktion der Telomerase an.

An der Untersuchung der Zellkerne der Blutkörperchen war auch die Professorin Dr. Elizabeth Blackburn von der Universität von San Francisco beteiligt. Die Molekularbiologin war 2009 für die Entdeckung der Telomerase und ihre Forschungen zu Telomeren mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet worden. Das Team untersuchte sowohl das Blut der Seminar-Teilnehmer als auch einer Vergleichsgruppe. Auch diese Vergleichsgruppe umfasste 30 Menschen. Sie hatten allerdings an dem Kursus in den Bergen nicht teilgenommen. "Im Schnitt hatte die Meditationsgruppe nach den drei Monaten einen um 30 Prozent höheren Telomerase-Spiegel als die Vergleichsgruppe", berichtet Elisabeth Blackburn. "Je positiver die Lebenseinstellung der Meditierenden wurde, umso höher war ihr Telomerase-Spiegel."

Ob die erhöhte Produktion von Telomerase die Länge der Telomere beeinflusst hatte, untersuchten die Wissenschaftler jedoch nicht. "Wir glaubten nicht, dass in nur drei Monaten ein messbarer Effekt auf die Telomere zu sehen ist", erläutert Blackburn. Wenige Monate später wusste man es besser: Die Länge der Telomere kann durch Meditation in kurzer Zeit sogar zunehmen.

Den Beweis dafür erbrachten wiederum der Neurowissenschaftler Clifford Saron und sein Team von der Universität in Davis. Bei Teilnehmern eines intensiven Meditations-Workshops fanden die Forscher nach nur drei Wochen längere Telomere in den weißen Blutkörperchen als zu Beginn der Studie. Bei der Vergleichsgruppe, die keinen Workshop absolvierte, gab es keine Veränderungen.

Es wäre schon erstaunlich genug, wenn der Abbau der Telomere verlangsamt oder gar gestoppt würde. Meditation kann jedoch sogar eine Verlängerung bewirken. Das hält den Organismus jung und schützt vor Erkrankungen.

Zum Thema:

Wie wir länger fit und gesund bleiben können Die Telomerforscherinnen Elisabeth Blackburn und Elissa Epel geben in ihrem Buch "Die Entschlüsselung des Alterns - Der Telomer-Effekt" Ratschläge, wie wir Körper und Geist gesund halten können. Das Buch aus dem Mosaik-Verlag fasst den Stand der Telomerforschung zusammen. Wichtig sind regelmäßige körperliche Aktivität, ausreichend Schlaf, gesunde Ernährung und Entspannung. Auch soziale Kontakte und soziales Engagement sowie Aufenthalte in der Natur fördern die Zellgesundheit. Fitte Zellen spiegeln körperliches und geistiges Wohlbefinden wider.

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