Agrar EU räumt Glyphosat möglicherweise Frist ein

Brüssel · Landwirtschaftsminister Christian Schmidt arbeitet an einem Plan B für eine Verlängerung der Zulassung.

 Am 15. Dezember läuft die Zulassung für das von vielen Bauern verwendete Pflanzengift Glyphosat in der EU aus. Nach einer Übergangsfrist von 18 Monaten wäre der Einsatz in der EU dann untersagt.

Am 15. Dezember läuft die Zulassung für das von vielen Bauern verwendete Pflanzengift Glyphosat in der EU aus. Nach einer Übergangsfrist von 18 Monaten wäre der Einsatz in der EU dann untersagt.

Foto: picture alliance / dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

Die Bundesregierung arbeitet an einem Plan B, um die weitere Verwendung des umstrittenen Wirkstoffes Glyphosat auf Äckern EU-weit sicher zu stellen. Nach Informationen unserer Zeitung will Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) durchsetzen, dass der Wirkstoff, dessen Zulassung am 15. Dezember ausläuft, auf EU-Ebene für weitere zwei bis drei Jahre eine Genehmigung erhält. Wie zu hören ist, verhandelt das Landwirtschaftsministerium mit den beiden SPD-geführten Bundesministerien für Wirtschaft sowie Umwelt. Auch die Grünen, die als Anwärter für das Bundesumweltministeriums gelten, sind in die Gespräche eingebunden.

2016 war eine Verlängerung der Zulassung um zehn Jahre an einem Veto der SPD gescheitert – die Bundesregierung musste sich dann bei der Abstimmung in Brüssel enthalten.

Hintergrund vom Plan B ist, dass die Zeit drängt: Am 25. Oktober will die EU-Kommission unter den 28 Mitgliedsländern die Verlängerung der Zulassung für Glyphosat um zehn Jahre abstimmen lassen. Sollte der Abgesandte der Bundesregierung aus Berlin dabei, wie so häufig in den letzten Jahren, keine Weisung für ein klares Ja oder Nein mitbringen, geht die Hängepartie weiter.

Die beiden EU-Agenturen für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sowie für Chemikalien (ECHA) bescheinigen dem Wirkstoff Unbedenklichkeit, die Internationale Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) IARC dagegen hält ihn für „wahrscheinlich Krebs auslösend“.

Zwar kann die EU-Kommission auch ohne eine sogenannte qualifizierte Mehrheit der Länder eine Verlängerung der Zulassung beschließen, doch EU-Kommissar Vytenis Andriukaitis hat bereits mehrfach angekündigt, dass die Kommission dies nicht will. Sie will nicht den Schwarzen Peter für die Zulassung eines Mittels zugeschoben bekommen, das in weiten Teilen der Bevölkerung nicht mehr gewünscht wird.

Klar ist: Sollte der Plan B von Minister Schmidt nicht aufgehen, würde die Zulassung für Glyphosat, das im Ackerbau im großen Stil eingesetzt wird, unweigerlich auslaufen. Für die Bauern würde es schwierig. Vermutlich wäre noch die nächste Ernte gesichert. Doch nach einer Übergangsfrist von bis zu 18 Monaten würden sowohl der Verkauf als auch der Einsatz des Mittels in der EU verboten, das als Allround-Pflanzenvernichter eingesetzt wird.

Die Debatte um Glyphosat wird sehr emotional geführt. Die Gegner von der Initiative „Stop Glyphosate“ haben mit über einer Million genügend Unterschriften zusammen bekommen, um als EU-Bürgerinitiative anerkannt zu werden. Sie fordern ein Verbot sowie eine Reform der Pestizid-Zulassung in der EU. Die Kommission wird in den nächsten Wochen in den Dialog mit der Bürgerinitiative treten.

Die Gegner lassen immer wieder Tests durchführen und weisen auf Rückstände des umstrittenen Wirkstoffes hin. Mal findet er sich im Urin, mal im Speiseeis. Im Eis fanden sich Konzentrationen unterhalb der Grenzwerte. Zuletzt warfen die Gegner dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), das federführend an der Risikoprüfung beteiligt war, unseriöse Arbeitsmethoden vor. Das BfR, so der Vorwurf der Kritiker, habe Passagen von der Industrie abgeschrieben. Das BfR verwahrt sich entschieden gegen den Vorwurf. Die Gesetzgebung sehe explizit vor, dass der berichterstattende Mitgliedsstaat – im Fall von Glyphosat Deutschland – alle Informationen der durch die Antragsteller eingereichten Dokumente auf Plausibilität und Korrektheit prüft. „Wenn der berichterstattende Mitgliedsstaat mit einer bestimmten Zusammenfassung oder Bewertung der Antragsteller übereinstimmt, kann er diese direkt in seinen Bericht integrieren.“

Unterdessen wurde bekannt, dass einer der exponiertesten Glyphosat-Gegner jahrelang einen Interessenkonflikt verschwiegen haben soll. Der Forscher Christopher Portier war als „externer Spezial-Ratgeber“ beteiligt, als die IARC zu dem Urteil kam, Glyphosat sei „wahrscheinlich krebserregend“. Nach Recherchen eines US-Bloggers stand Portier auf dem Lohnzettel zweier US-Großkanzleien, die Schadenersatz vom Glyphosat-Hersteller Monsanto wegen Krebserkrankungen erstreiten wollen, die angeblich von dem Wirkstoff ausgelöst worden sind. Er soll ein Honorar von 160 000 Dollar bekommen haben.

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