Gastronomie Gewerkschaft stellt sich gegen 13-Stunden-Schichten

Quierschied · Das Saarland soll verstärkt Gastronomie-Betriebe kontrollieren, um Arbeitszeit-Verstöße aufzudecken. Das fordert die NGG.

 Mark Baumeister, Geschäftsführer der Gewerkschaft NGG der Region Saar, sammelt schlechte Arbeitsverträge in der Gastronomie und will sie veröffentlichen.

Mark Baumeister, Geschäftsführer der Gewerkschaft NGG der Region Saar, sammelt schlechte Arbeitsverträge in der Gastronomie und will sie veröffentlichen.

Foto: BeckerBredel/BeckerBredel Fotografen

Bis zu 13 Stunden arbeiten am Tag, bis zu 48 Stunden in der Woche. Solchen Forderungen des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) – auch im Saarland – will Mark Baumeister nicht im geringsten nachgeben. Der Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) in der Region Saar, erteilte am Samstag in Quierschied auf der Delegierten-Konferenz der Arbeitnehmerorganisation allen Forderungen nach einer weiteren Flexibilisierung der Arbeitszeit eine Absage. „Sollen die Beschäftigten ihr komplettes Leben den Arbeitgebern opfern?“ Das sei mit der NGG nicht zu machen. Der Tarifvertrag erlaube eine tägliche Arbeitszeit von bis zu zehn Stunden. Das reiche aus, um den Unwägbarkeiten in der Gastronomie zu begegnen.

Baumeister machte all denen, die eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeiten verlangen, Vorwürfe: „Sie erwarten eine Legitimierung  der Verstöße, die sie seit Jahrzehnten durchführen.“ Diese Verstöße seien keine Einzelfälle, wie der Dehoga behaupte, sagte Baumeister. 250 Mal habe die NGG allein im vergangenen Jahr Gastronomen erwischt. Daher forderte er die Landesregierung auf, die Gewerbeaufsicht zu verstärken. Statt der vorgesehenen 55 Kontrolleure gebe es nur 16. „Die Kontrolle unterliegt dem Zufallsprinzip“, monierte er. Betriebe, die sich über Arbeitszeitregeln hinwegsetzen, würden kaum Risiken eingehen, erwischt zu werden.

Dass viel im Argen liegt, belegt aus Sicht der Gewerkschaft auch die Rechtsschutzquote, also der Anteil der Mitglieder, die in Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber Rechtsbeistand benötigen. Über alle Branchen hinweg betrage die Quote elf Prozent. Die NGG Saar hat bei ihren Mitgliedern aus der Gastronomie eine Quote von 45,7 Prozent. Fast jeder Zweite ist betroffen. Im vergangenen Jahr landeten 218 Fälle vor dem Arbeitsgericht, sagte Baumeister. Seit 2015 habe die Gewerkschaft im Saarland für ihre Mitglieder mehr als 1,8 Millionen Euro an zu Unrecht nicht gezahlten Lohn vor Gericht und außergerichtlich erstritten. Baumeister kündigte eine Aktion gegen unseriöse Arbeitsverträge an, nach denen zum Beispiel Überstunden teilweise unbezahlt bleiben. „Wir sammeln schlechte Arbeitsverträge und werden sie veröffentlichen“, sagte Baumeister. Abhilfe können bald vielleicht rechtsverbindliche neue Arbeitsverträge schaffen, die Baumeister zufolge gemeinsam mit dem Dehoga erarbeitet werden.

Baumeister verlangte darüber hinaus von der Landesregierung, an den Gesprächen über Tourismusentwicklung beteiligt zu werden. Bisher „werden wir zu keiner Veranstaltung mit Bezug zu Tourismus eingeladen“. Auch sollten Fördergelder für touristische Projekte daran gekoppelt werden, dass sich die Empfänger der Gelder an Tarifverträge halten und Mitbestimmung ermöglichen.

Überhaupt hapert es an der Mitbestimmung, wie die NGG beklagt. „Es gibt im Saarland in keinem Hotel einen Betriebsrat. Wir sind Schlusslicht in Deutschland“, bemängelte Baumeister. Und wenn Mitarbeiter versuchten, einen Betriebsrat zu gründen, „hagelt es Kündigungen“. Widerstand gegen die Gründung von Betriebsräten ist aus Sicht von Eugen Roth, Gastredner auf der NGG-Konferenz, unverständlich. Ökonomen hätten berechnet, dass Firmen, die einen Betriebsrat haben, um durchschnittlich 6,3 Prozent produktiver seien als andere, sagte der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds im Saarland (DGB). „Wenn Arbeitgeber gegen Betriebsräte vorgehen, dann sind sie betriebswirtschaftlich dumm, weil sie Produktivität ausschlagen“, sagte Roth.

Trotz des Gegenwinds von Arbeitgebern steigen die Mitgliederzahlen der NGG. „Wir wachsen an der Saar um drei bis sechs Prozent pro Jahr“, sagte Baumeister. Aktuell habe die Gewerkschaft hierzulande 3300 Mitglieder. „Unser nächstes Ziel ist es, die 4000er-Marke zu knacken.“

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