Griechenland noch nicht gerettet. Griechenland-Krise längst nicht überstanden

Luxemburg/Athen · Deutschland profitiert bei seinen bisherigen finanziellen Hilfszusagen von niedrigen Zinsen an den europäischen Märkten.

 Die Griechen mussten harte Opfer bringen, damit andere Mitgliedsländer der EU bereit waren, ihnen finanziell zu helfen. Die Wirtschaft in Griechenland steckt in vielen Branchen noch in einer Krise.

Die Griechen mussten harte Opfer bringen, damit andere Mitgliedsländer der EU bereit waren, ihnen finanziell zu helfen. Die Wirtschaft in Griechenland steckt in vielen Branchen noch in einer Krise.

Foto: dpa/Fotis Plegas G.

Zum Abschluss der jahrelangen Rettungsprogramme kann Griechenland im Sommer noch einmal auf Milliardenhilfen hoffen. Deutschland und die übrigen Europartner feilten am Donnerstag in Luxemburg an einem Paket aus Schuldenerleichterungen und einer letzten Auszahlung an Athen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz brachte dabei ins Gespräch, einen Teil der hohen Zinsgewinne aus den Hilfsprogrammen an Athen abzutreten.

Allein die Bundesrepublik Deutschland hat seit 2010 mindestens 2,9 Milliarden Euro an Zinsgewinnen eingestrichen, wie aus einer Antwort der Bundesregierung an die Grünen hervorgeht. Scholz sagte, das sei nicht neu. Solche Gewinne der Zentralbanken seien den Griechen „lange Zeit zur Verfügung gestellt worden“, sagte der SPD-Politiker. Die Finanzminister der Eurogruppe würden diskutieren, „wie dies wieder der Fall sein kann als Teil der Entwicklung für die Zukunft“.

Zur Debatte bei den Ministern standen auch weitere Schuldenerleichterungen, wie etwa die Streckung der Laufzeiten oder Zinszahlungen für Kredite. Zudem soll Griechenland ein Finanzpolster bekommen, als Absicherung für reguläre Kredite an den Finanzmärkten. Im Gegenzug wollen die Geldgeber weiter streng kontrollieren, dass Griechenland am Spar- und Reformkurs festhält. Das dritte Rettungsprogramm im Umfang von bis zu 86 Milliarden Euro begann 2015 und läuft im August aus. Bisher flossen knapp 50 Milliarden Euro. Wie hoch die letzte Auszahlung sein wird, hängt nach Angaben von EU-Diplomaten von den übrigen Komponenten des Pakets ab. Ursprünglich war eine Tranche von 11,7 Milliarden Euro geplant.

Scholz und andere Finanzminister sowie EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici zeigten sich zuversichtlich, dass ein Kompromiss gelingt und Griechenland sich nach Ende des Programms wieder selbst finanzieren kann. Scholz sagte, das würde im Ergebnis bedeuten: „Es ist gelungen, dass wir mit unserer Solidarität einem Land wieder auf die eigenen Füße helfen. Ich glaube, wenn das am Ende so kommt, ist das eine gute Nachricht, auch übrigens für den Euro und für Europa.“

Der französische Finanzminister Bruno Le Maire lobte: „Wir müssen anerkennen, dass Griechenland seine Aufgabe sehr gut erledigt hat, sie haben ihre Pflichten erfüllt.“ Jetzt müssten auch die Europartner ihre Zusagen einlösen und „die beste Lösung für die Behandlung der griechischen Schulden finden“.

Griechenland war seit 2010 auf Unterstützung der europäischen Partner und des Internationalen Währungsfonds angewiesen. Als Gegenleistung für vergünstigte Kredite in Höhe von knapp 274 Milliarden Euro musste das Land Sparprogramme und Strukturreformen auflegen. Nach Angaben der EU-Kommission wurden allein in den vergangenen drei Jahren 450 Einzelmaßnahmen durchgesetzt.

Inzwischen verzeichnet Griechenland wieder Wirtschaftswachstum und Haushaltsüberschüsse. Doch ist immer noch jeder Fünfte arbeitslos, und die staatliche Verschuldung liegt bei etwa 180 Prozent der Wirtschaftsleistung.

Die deutschen Zinsgewinne ergaben sich der Regierungsantwort zufolge vor allem aus Ankäufen griechischer Staatsanleihen im Rahmen des „Securities Market Programme“ der Europäischen Zentralbank, die bei der Bundesbank anfielen und dem Bundeshaushalt überwiesen wurden. Auch die Bundesbank kaufte die Staatspapiere. Die Gewinne ergeben sich aus Zinszahlungen für das Halten der Anleihen.

Ein Blick zurück: Seit fast zehn Jahren durchleben die Griechen einen Albtraum nach dem anderen. Rettungspakete, Kürzungen der Staatsausgaben und der Absturz in ein ökonomisches Chaos: all das gehört zur Geschichte dieser Krise.

Giorgos Papandreou wollte nach seiner Wahl wohl nur alles richtig machen und die Schuld(en) seinen Vorgängern in die Schuhe schieben. Also korrigierte der Sozialdemokrat, der im Oktober 2009 gerade erst ins Amt gekommen ist, die offiziellen Zahlen zur Verschuldung des Landes nach oben: von den bisher bekannten 3,7 Prozent auf 12,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Es war der Beginn einer Katastrophe für das Land. Innerhalb von wenigen Wochen eskalierte die Situation, Athen bat den Internationalen Währungsfonds um ein Hilfsprogramm. Die Euro-Zonen-Regierungen zogen die Daumenschrauben an: Frankreichs damaliger Staatspräsident Nicolas Sarkozy und Bundeskanzlerin Angela Merkel forderten die Hellenen daraufhin ultimativ auf, entweder alle laufenden Kredite zurückzuzahlen oder den Euro zu verlassen. Das Gespenst des Grexit war fortan geboren.

Nur wenig später war Papandreous Regierung faktisch zahlungsunfähig. Ein IWF-Zuschuss von insgesamt 30 Milliarden Euro reichte nicht aus. Im Jahr 2010 verständigten sich die Euro-Partner auf ein erstes Hilfspaket von zusätzlich 80 Milliarden Euro. Aber es gab immer noch noch keinen Rettungsschirm. Also brach man ein Tabu des festgezurrten Euro-Paktes: Die Länder der Währungsunion schickten bilaterale Hilfen nach Athen. Natürlich sollte die Regierung jeden Cent auch wieder zurückzahlen. Die eigentliche Hilfe bestand vor allem darin, dass man Griechenland ersparen wollte, sich selbst Geld beschaffen zu müssen, für das bereits damals astronomische Zinsen hätten aufgebracht werden müssen.

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