Minister profilieren sich Streit um die Grüne Woche in Berlin

Berlin · Die größte Leistungsschau der Landwirtschaft wird zur Bühne für die Profilierung mehrerer Minister. Sie machen sich gegenseitig Vorwürfe.

 Susanne Roch aus Golßen hängt auf der Internationalen Grünen Woche in der Halle ihres Bundeslandes Brandenburg frische Würste auf. Partnerland der weltgrößten Agrarmesse ist in diesem Jahr Finnland.

Susanne Roch aus Golßen hängt auf der Internationalen Grünen Woche in der Halle ihres Bundeslandes Brandenburg frische Würste auf. Partnerland der weltgrößten Agrarmesse ist in diesem Jahr Finnland.

Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Wenn die Grüne Woche ansteht, grüßt irgendwie auch immer das berühmte Murmeltier. Dann streiten das Umwelt- und Agrarressort auf offener Bühne über die Zukunft der Landwirtschaft. So ist es auch in diesem Jahr wieder. Diesmal lautet das „Duell“: Svenja Schulze (SPD) gegen Julia Klöckner (CDU). Und im Hintergrund lacht dann auch noch ein Dritter.

Gestern Abend wurde die weltweit größte Agrarmesse in Berlin eröffnet. Noch bis zum 27. Januar präsentieren sich über 1700 Aussteller aus 65 Ländern. 400 000 Besucher werden zum weltweit größten Schaufenster der Landwirtschaft erwartet. Partnerland der Messe ist Finnland. Die Ausstellung ist zugleich hochpolitisch. Bis zu 70 Agrarminister und viele internationale Organisationen debattieren über Trends und Fehlentwicklungen in der Landwirtschaft, über Ernährungssicherheit und Digitalisierung. Wer im Agrarbereich was erreichen will, muss auf der Grünen Woche Pflöcke einschlagen. Das kann wohl keine so gut wie Ernährungsministerin Julia Klöckner. Ihr Terminkalender quillt während der Grünen Woche über. Zahlreiche Reden wird sie halten, zahlreiche Verbände und Empfänge besuchen. Ihr Ministerium unterhält in diesem Jahr sogar eine eigene Ausstellungshalle. Die Messe ist für Ministerin Klöckner die beste Gelegenheit des Jahres, sich in ihrem Amt zu profilieren. Eigenvermarktung ist seit langem ein Steckenpferd der Rheinland-Pfälzerin.

Nach noch nicht einmal einem Jahr im Amt wird ihr vorgeworfen, nur eine Gefolgsfrau der Agrarlobby zu sein. Der Vorwurf kommt ausgerechnet von ihrer Sitznachbarin am Kabinettstisch, Umweltministerin Svenja Schulze. Der Zoff hat schon Tradition. Auch die Vorgänger von Klöckner und Schulze, Christian Schmidt (CSU) und Barbara Hendricks (SPD), fuhren sich gerne in die Parade und schrieben sich böse Briefe. Gestritten wurde über Mega-Ställe, den Klimaschutz oder einfach nur, weil man sich nicht sonderlich mochte.

Svenja Schulze knüpft daran an. Pünktlich zum Auftakt der Grünen Woche warf sie ihrer Kabinettskollegin Klöckner vor, sich bei der Neuausrichtung der gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) nicht ausreichend für den Umweltschutz einzusetzen. Hintergrund ist, dass in Brüssel über den neuen Haushalt für die Zeit nach 2020 beraten wird. Die Agrarförderung gehört zu den größten Posten.

Nach Angaben von Schulze würden die Weichen „weiter in Richtung Intensivierung, Höfesterben, Weltmarkt“ gestellt, aber keine Anreize für Landwirte gesetzt, die nachhaltig wirtschaften wollten. Das sei Klöckners Versäumnis. Stimmt nicht, heißt es im Ressort der CDU-Frau. Von Beginn an habe die Ministerin im EU-Agrarrat eine stärkere Ausrichtung der Förderung an Belangen des Umwelt-, Klima- und Naturschutzes sowie des Tierwohls „konstruktiv unterstützt“. Sie setze sich dafür ein, alle Interessen in einen „fairen Ausgleich zu bringen.“ Das kann man so oder so sehen. Wie so oft im Agrarbereich. Die Liste der Konflikte ist noch länger. Im Umgang mit dem Unkrautvernichter Glyphosat fährt Schulze einen deutlich rigideren Kurs; Klöckner tritt zudem beim Insektenschutz etwas auf die Bremse, während Schulze bereits Eckpunkte für Verbesserungen vorgelegt hat.

Zur Kritik ihrer Kabinettskollegin meinte gestern die Ernährungsministerin in einer Reaktion: „Das sehe ich gelassen.“ Die Motivationslage sei wohl, wegen der Grünen Woche mehr Aufmerksamkeit zu erregen. Einer, der unterdessen dem Treiben der beiden Kontrahentinnen entspannt zusieht, ist Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU). Während die anderen sich streiten, hat sein Ministerium die Präsenz auf der Messe weiter ausgebaut, um zum Beispiel für den Kauf fair produzierter Lebensmittel zu werben. Müller erklärt dazu: „Landwirtschaft betrifft uns alle.“ Das gilt augenscheinlich ganz besonders für die Bundesregierung.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort