„Mit Rentenkürzungen ist Griechenland nicht zu retten“

Berlin · Wirtschaftsforscher Gustav Horn hält die Auflagen der internationalen Geldgeber für falsch. Er fordert eine Lockerung des Spardrucks, damit die Binnennachfrage steigt.

 Ökonom Gustav Horn Foto: Peter Himsel/ Hans-Böckler-Stiftung

Ökonom Gustav Horn Foto: Peter Himsel/ Hans-Böckler-Stiftung

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Das griechische Parlament hat in der Nacht zum Freitag das neunte Sparpaket verabschiedet. Damit kommt Athen Forderungen der internationalen Geldgeber nach, um frisches Geld aus dem laufenden Hilfspaket für fällige Rückzahlungen von Schulden zu erhalten. Der Leiter des Düsseldorfer Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, hält die neuen Einschnitte für falsch.

Herr Horn, die Börsen haben erleichtert auf die Entscheidung in Athen reagiert. Sie auch?

HORN N ein, überhaupt nicht. Dieses Sparpaket folgt alten Traditionen und ist wieder darauf angelegt, dass der Konsum im Land massiv belastet wird. Es trifft breite Bevölkerungsschichten. Wenn man, wie nun geplant, den Steuerfreibetrag senkt, dann leiden darunter vor allem Niedrigverdiener, die vielleicht noch gar nicht steuerpflichtig waren. Mit weiteren Steuererhöhungen und Rentenkürzungen wird Griechenland jedenfalls nicht zu retten sein .

Aber die Renten sind in Griechenland zum Teil deutlich höher als in Deutschland.

HORN Tat sache ist, dass Griechenland gesamtwirtschaftlich betrachtet seine Wettbewerbsfähigkeit inzwischen wiederhergestellt hat. Wenn auch auf drastische Weise .

Also waren die Sparpakete doch nicht so schlecht?

HORN Doch, sie waren schlecht, denn es gibt extreme Begleiterscheinungen: hohe Arbeitslosigkeit bis hin zu existenzieller Not breiter Bevölkerungskreise. Spätestens jetzt kann es nicht mehr um die griechische Wettbewerbsfähigkeit gehen. Die ist da, denken Sie nur an den wieder erwachten Tourismusboom. Vielmehr muss es darum gehen, das gesamte soziale Sicherungssystem durch Strukturreformen effizienter zu machen. Dazu können auch Rentenkürzungen gehören. Aber man muss sie begleiten durch den Aufbau einer sozialen Grundsicherung. Viele Griechen gehen ja deshalb in Rente, weil sie bei Arbeitslosigkeit nicht abgesichert sind.

Aber wer hindert Griechenland an solchen Reformen?

HORN Gegenfrage: Woher soll das Geld dafür kommen, wenn die internationalen Geldgeber weiter stur auf Einsparungen beharren? Vor diesem Hintergrund bekäme Griechenland mit solchen Reformen nur neue Haushaltsprobleme.

Was schlagen Sie vor?

HORN I ch würde eine soziale Grundsicherung auf bauen, um die Balance im Hinblick auf Rentenkürzungen zu wahren. Zugleich würde ich die Sparziele heruntersetzen, damit die Binnennachfrage steigt und Griechenland mehr Manövrierfähigkeit im Haushalt bekommt. Dann ließen sich auch die Schulden bedienen. Auf diese Weise könnte man auch auf einen immer wieder diskutierten Schuldenschnitt verzichten, bei dem auch Deutschland viel Geld verlöre .

Braucht Athen ein weiteres Hilfspaket?

HORN Davon kann man ausgehen. Denn mit der Sparstrategie kommt das Land nicht auf die Beine. Ohne eine Änderung dieser falschen Strategie droht die wirtschaftliche Depression in Griechenland zum Dauerzustand zu werden.

Das Gespräch führte Stefan Vetter.

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