Zu viele Überstunden an der Saar Kammer warnt vor mehr flexibler Arbeit

Saarbrücken · Umfrage in Saar-Betrieben sieht als Ergebnisse immer mehr unbezahlte Überstunden, ständige Leistungsverdichtung und hohe Krankenstände

 Steigende Anforderungen in Produktionsbetrieben führen auch zu hohen Krankenständen, stellt die Arbeitskammer fest.

Steigende Anforderungen in Produktionsbetrieben führen auch zu hohen Krankenständen, stellt die Arbeitskammer fest.

Foto: rup/D-66787 Wadgassen H:0172 7172400

. Als die Rede in der Pressekonferenz zum „Betriebsbarometer 2017“ der Arbeitskammer auf den hohen Krankenstand beim Getriebehersteller ZF kommt, führt Kammer-Vorstandschef Hans Peter Kurtz das auf zweierlei zurück. Lange Zeit habe man die Produktion hochgefahren, aber die Mitarbeiter im Unklaren gelassen, ob der Standort in seiner Größe bestehen bleibt. Das habe bei vielen psychischen Druck erhöht. Und es zeige sich auch, dass man als junger Mensch gerne Schichten, Geld und Prämien mitnimmt, bei ZF und anderswo genauso, aber dieses Prinzip irgendwann auch auf Kosten der Gesundheit geht, was man dann erst als älterer Mensch merkt. „Man geht auf Dauer kaputt“, bemerkte Kurtz. Es werde unterschätzt, „dass man auch die Zeit zur Erholung braucht, weil man sonst krank wird “, mahnte er.

Die Wirklichkeit an der Saar sei mittlerweile geprägt von einer immer stärkenen  Leistungsverdichtung in den meisten Saar-Betrieben und Branchen, immer höheren Ansprüchen an die Mitarbeiter und gleichzeitig auch immer mehr unbezahlten Überstunden. Besonders Letzteres ufere aus, sagte Kurtz als eines der Haupterkenntnisse aus dem jüngsten „Betriebsbarometer 2017“.

Deshalb hält er auch nichts von den jüngsten Forderungen des neuen IHK-Präsidenten Hanno Dornseifer, der im Interview mit der Saarbrücker Zeitung super flexible Arbeitszeitmodelle gefordert hatte und Zeiterfassungssysteme für ausgedient hält. Gerade das stößt der Arbeitskammer sauer auf, denn sie hält solche Zeiterfassungssysteme für die einzige Möglichkeit, gerechte Arbeitsbedingungen zu garantieren. Die Wirklichkeit widerlege die IHK, denn es könne  einfach nicht angehen, so Kurtz, dass schon 90 Prozent der abhängig Beschäftigten  Überstunden leisten und das nur in 23 Prozent der Unternehmen mit Geld oder Freizeit abgegolten wird. Dies sei sogar in Betrieben der Fall, die über Arbeitnehmervertreter verfügen. Hinzu komme, dass in 82 Prozent der befragten Betriebe und Dienststellen über sozial ungünstige Arbeitszeiten abends, nachts, an Wochenenden und Feiertagen geklagt werde. Dies alles passe nicht zu einer gerechten Arbeitswelt und entspreche nicht heutigen Vorstellungen von flexiblen Arbeitszeit-Modellen, beklagte Kurtz.

Schützenhilfe bekommt er von der saarländischen Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD). Sie findet es zwar grundsätzlich richtig, Regelungen für flexible Arbeitszeiten in den Tarifverträgen festzuschreiben, dies könne aber nur Erfolg haben, wenn auch geänderten Wünschen und Lebensgewohnheiten der Arbeitnehmer entsprochen werde. Sonst fänden Saar-Betriebe künftig immer schwerer ihr Personal. Zeiten für Beruf, Familie, Pflege und Freizeit müssten an der Saar besser unter einen Hut gebracht werden. Gleichzeitig mahnt auch die Ministerin vor einem Ungleichgewicht. „In der zunehmend digitalisierten Arbeitswelt ist die grenzenlose Verfügbarkeit keine vernünftige Option.“

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