Handicap Schlechte Karten auf dem Arbeitsmarkt

Berlin · Schwerbehinderte finden nur selten einen regulären Job. Viele Privatfirmen beschäftigten niemanden mit Handicap.

 Ein Verkäufer packt in einem Markt Ware aus. Der junge Mann hat eine Stoffwechselkrankheit und einen Grad der Behinderung von 40.

Ein Verkäufer packt in einem Markt Ware aus. Der junge Mann hat eine Stoffwechselkrankheit und einen Grad der Behinderung von 40.

Foto: dpa/Bernd Wüstneck

Trotz der anhaltend guten Konjunktur haben Schwerbehinderte offenbar immer noch große Probleme, einen regulären Job zu finden. Von den schwerbehinderten Erwerbslosen, die im vergangenen Jahr nicht mehr in der Arbeitslosenstatistik auftauchten, fand nur jeder Sechste eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt. In der Vergleichsgruppe der Arbeitslosen ohne Handicap gelang dies immerhin gut jedem vierten Betroffenen. Das zeigt eine aktuelle Datenübersicht der Bundesagentur für Arbeit (BA), die unserer Redaktion vorliegt.

Demnach fanden nur 16,6 Prozent der Schwerbehinderten, die nicht mehr als arbeitslos registriert waren, im vergangenen Jahr eine reguläre Anstellung. Die anderen fielen zumeist deshalb aus der Statistik, weil sie sich in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen befanden oder ihnen eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wurde. Für den gleichen statistischen Effekt sorgte eine vorruhestandsähnliche Sonderregelung, wonach Arbeitslose über 58 Jahre nicht mehr als arbeitslos gelten, wenn ihnen ein Jahr lang kein Job angeboten wurde.

Nach den gesetzlichen Bestimmungen sind Arbeitgeber je nach Betriebsgröße zur Beschäftigung von Schwerbehinderten verpflichtet. So müssen in Unternehmen mit mindestens 20 Arbeitsplätzen wenigstens fünf Prozent der Stellen für schwerbehinderte Menschen zur Verfügung stehen. Frauen mit Handicap sind dabei besonders zu berücksichtigen. Entziehen sich die Betriebe dieser Verpflichtung, wird eine sogenannte Ausgleichsabgabe für jeden nicht entsprechend besetzten Arbeitsplatz fällig. Derzeit können das bis zu 320 Euro pro Monat sein.

Nach Daten der Bundesagentur wurde die Beschäftigungsquote im aktuellen Berichtsjahr 2015 nicht erfüllt. Statt fünf Prozent betrug sie nur 4,7 Prozent. Die private Wirtschaft kam nur auf 4,1 Prozent. Fast 39 000 private Arbeitgeber mit jeweils mehr als 20 Arbeitsplätzen hatten demnach überhaupt keine Schwerbehinderten unter Vertrag. Vorbildlich waren dagegen die öffentlichen Arbeitgeber. 2015 waren in den staatlichen Behörden 6,6 Prozent der Beschäftigten schwerbehindert.

„Die Beschäftigungsquote wird von der Privatwirtschaft schon seit Jahren nicht erfüllt“, kritisierte die Arbeitsmarktexpertin der Linken, Sabine Zimmermann. Deshalb bestehe dringender politischer Handlungsbedarf. Zimmermann regte an, die Pflichtquote auf sechs Prozent zu erhöhen sowie die Ausgleichsabgabe „deutlich“ anzuheben. „Arbeitgeber sollten, anstatt über einen vermeintlichen Fachkräftemangel zu jammern, ihren Blick auch auf Menschen mit Behinderung richten, die oft gut qualifiziert und hochmotiviert sind“, sagte Zimmermann.

Laut Bundesagentur für Arbeit war die Arbeitslosenquote bei Schwerbehinderten im Jahr 2016 mit 12,4 Prozent fast doppelt so hoch wie im Gesamtdurchschnitt. Hier betrug die Quote 6,4 Prozent.

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