Ringen um höhere Löhne Tarifrunde 2019 nimmt Fahrt auf

Die Gewerkschaften gehen in diesem Jahr mit Forderungen von sechs Prozent und mehr in die Tarifgespräche. Schon zum Auftakt gab es erste Streiks.

 In der Vergangenheit wurden die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst der Länder immer wieder von Streiks begleitet. Das droht auch in diesem Jahr. Die Tarifgespräche beginnen am 21. Januar.

In der Vergangenheit wurden die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst der Länder immer wieder von Streiks begleitet. Das droht auch in diesem Jahr. Die Tarifgespräche beginnen am 21. Januar.

Foto: dpa/Fredrik Von Erichsen

Berlin In diesem Jahr werden für mehr als 7,3 Millionen Arbeitnehmer neue Löhne und Gehälter ausgehandelt. Damit kann etwa jeder dritte Tarifbeschäftigte in Deutschland mit höheren Bezügen oder mehr Freizeit rechnen.

Zumindest Flugpassagiere in Berlin bekamen die Tarifauseinandersetzungen im neuen Jahr bereits zu spüren. Um der Forderung der Gewerkschaft Verdi nach einem bundesweit einheitlichen Stundenlohn von 20 Euro für die Sicherheitsmitarbeiter an den Airports Nachdruck zu verleihen, gab es zu Wochenbeginn erste Warnstreiks. Dabei geht es hier um eine relativ kleine Interessengruppe von nur 23 000 Beschäftigten. Ein richtiges Schwergewicht der Tarifrunde im neuen Jahr ist der öffentliche Dienst der Länder. Darunter fallen rund 935 000 Beschäftigte. Hier geht Verdi mit einer Forderung von sechs Prozent mehr Geld in die Verhandlungen, die am 21. Januar starten. Das Ergebnis beeinflusst auch die Einkommen der etwa 2,1 Millionen Beamten und Pensionäre.

Am 15. Februar beginnen die Gespräche für das Bankgewerbe. Für die knapp 218 000 Beschäftigten verlangt Verdi ebenfalls einen Entgeltzuwachs von sechs Prozent. Darüber hinaus stehen in diesem Jahr Tarifverhandlungen in der Stahlbranche, der Textil- und Bekleidungsindustrie, im Einzelhandel sowie im Kfz-Gewerbe und der Zeitarbeit an. Auch hier machen die Gewerkschaften zum Teil einen Aufschlag von sechs Prozent und mehr geltend.

Nach Einschätzung des Leiters des Tarifarchivs der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, Thorsten Schulten, decken sich die Forderungen weitgehend mit denen des Vorjahres. 2018 lag das tatsächlich von den DGB-Gewerkschaften durchgesetzte Lohnplus im Schnitt bei dann etwa drei Prozent. Darin berücksichtigt sind auch länger laufende Tarifverträge. Legt man nur die Neuabschlüsse zugrunde, waren es sogar 3,5 Prozent mehr.

Zwar streben Verdi & Co für ihre Forderungen in aller Regel eine kurze Vertragslaufzeit von zwölf Monaten an. Doch solche Kontrakte seien mittlerweile die Ausnahme, sagte Schulten. So sieht zum Beispiel der Ende 2018 abgeschlossene Tarifvertrag zwischen der Verkehrsgewerkschaft EVG und der Deutschen Bahn eine Laufzeit bis zum Februar 2021 vor. Ein weiterer Trend bei den Tarifabschlüssen sind laut Schulten Wahlmodelle, bei denen sich die Beschäftigten für mehr Lohn oder mehr Urlaubstage beziehungsweise eine Verkürzung ihrer Arbeitszeit entscheiden können. „Nach unseren Erkenntnissen stoßen solche Lösungen insbesondere bei Schichtarbeitern auf hohe Akzeptanz“, sagte Schulten. Schrittmacher waren hier die Deutsche Bahn und die IG Metall. Wenn es nach Verdi geht, soll aktuell auch das Bankgewerbe von der Option profitieren, einen Teil des erkämpften Lohnzuwachses in Freizeit umzuwandeln.

Ein großes Problem sieht Schulten in der abnehmenden Tarifbindung. In den alten Ländern wird nur noch jeder zweite Arbeitnehmer nach einem Branchentarif entlohnt, im Osten gar nur jeder dritte. So gehört etwa der Einzelhandel mit rund drei Millionen Beschäftigten zu den größten Branchen im Land. Aber nur ein Drittel davon sei tarifgebunden, erläuterte Schulten. Das habe mit der Kleinteiligkeit in der Branche zu tun, aber auch mit dem Verhalten großer Supermarktketten wie Real, die 2018 aus dem Flächentarifvertrag ausstieg. „Die spannende Frage ist deshalb, ob in dieser Branche überhaupt ein neuer Tarifvertrag zustande kommt“, sagte Schulten.

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