Saarländische Stahlindustrie Warnung vor „industriepolitischem Suizid“

Saarbrücken · Saarstahl-Betriebsrat Stefan Ahr wettert gegen Umweltauflagen. Politiker fordern mehr Schutz für die Industrie.

 Die europäische Stahlindustrie braucht nach Auffassung des SPD-Politikers Jo Leinen Unterstützung.

Die europäische Stahlindustrie braucht nach Auffassung des SPD-Politikers Jo Leinen Unterstützung.

Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Stephan Ahr ist es leid, dass die Stahlindustrie immer nur der Watschenmann ist, wenn es um den Klimaschutz geht. „Wir müssen auch auf EU-Ebene die Diskussion um die Umweltpolitik wieder versachlichen“, forderte der Betriebsratsvorsitzende von Saarstahl am Freitagabend auf einer Veranstaltung der Sozialdemokratische Partei Europas (SPE) und des Ausschusses der Regionen (AdR), der unter anderem die Bundesländer und Kommunen auf europäischer Ebene vertritt. „Sonst erleben wir einen industriepolitischen Suizid und nehmen in Kauf, dass unsere Region vor die Hunde geht“, machte er unter großem Beifall deutlich. „Dabei ist Stahl der mit Abstand wichtigste Werkstoff, wenn es um die Umsetzung des Klimaschutzes geht“, sagte Ahr. Stahl werde zu 100 Prozent wiederverwendet und sei universell einsetzbar.

Der saarländische Europaabgeordnete Jo Leinen (SPD) forderte eine Ausgleichsabgabe auf Stahlimporte, um die Zusatzbelastungen auszugleichen, die der europäischen Stahlindustrie durch den Emissionshandel mit CO2-Zertifikaten entstehen. Sonst werde Stahl in Zukunft nur noch dort hergestellt, wo die Umweltvorschriften wesentlich weniger streng seien als in Europa, sagte Leinen.

Er selbst habe erreicht, dass die sogenannten Kuppelgase, die bei der Stahlproduktion entstehen und dort auch wieder zur Energieerzeugung eingesetzt werden, nicht mit CO2-Abgaben belegt werden, sagte Leinen. Dies hätte vor allem die saarländische Stahlindustrie betroffen, die diese Gase beispielsweise in Dillingen in einem Gichtgas-Kraftwerk einsetzt. „Es bleibt lohnenswert, Kuppelgase für die Energieerzeugung einzusetzen. Das ist auch im Sinne des Klimaschutzes“, sagte Leinen.

AdR-Präsident Karl-Heinz Lambertz setzte sich ebenfalls dafür ein, dass die Industrie in Europa besser geschützt und wieder mehr Industriepolitik gemacht wird. „Die Auffassung, dass wir allein mit Dienstleistungen und Digitalisierung genügend Wohlstand erzeugen können, ist eine Illusion“, sagte der Senator der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens. Viele Menschen würden sich inzwischen abgehängt fühlen, weil in der Vergangenheit zu sehr die Interessen der Banken und Finanzindustrie im Vordergrund gestanden hätten. „Die Leute vor Ort erwarten von Europa, dass sie dort, wo sie wohnen, von ihrer Erwerbsarbeit leben können“, sagte er.

Isolde Ries (SPD), Vizepräsidentin des saarländischen Landtags, plädiert dafür, die von der EU eingeräumten Möglichkeiten der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit stärker zu nutzen. Dies beinhalte auch, dass sich die Partner auf die Rechtsnorm eines Landes verständigen können. Diese könne dann projektbezogen auf das andere Land übertragen werden. Eugen Roth, Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) im Saarland, hatte auch gleich einen praktischen Vorschlag parat. „Wie wäre es, wenn wir den Luxemburger Mindestlohn auf das Saarland übertragen würden.“ Dieser beträgt im Großherzogtum 12,94 Euro, in Deutschland 9,19 Euro.

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