800-Millionen-Investition ZF baut die Hybridtechnik in Saarbrücken aus

Saarbrücken · 800 Millionen Euro investiert der ZF-Konzern in das Getriebewerk in Saarbrücken. Dadurch soll es zukunftssicherer werden.

 Saarbrücken ist seit Jahren das führende Werk für Automatikgetriebe im ZF-Konzern.

Saarbrücken ist seit Jahren das führende Werk für Automatikgetriebe im ZF-Konzern.

Foto: Becker + Bredel/Becker + Bredel Gbr

Hybrid ist die Zukunft. Davon ist ZF-Chef Wolf-Henning Scheider überzeugt. Von fünf auf fünfzig Prozent werde sich der Anteil an Hybridfahrzeugen in den kommenden Jahren erhöhen. Und all diese Hybridfahrzeuge brauchen ein passendes Getriebe. Geht es nach Scheider, wird ein Großteil dieser Getriebe künftig in Saarbrücken gefertigt. Denn dort soll nun die Produktion auf diese komplexeren Getriebe umgerüstet werden. 800 Millionen Euro nimmt der Konzern in die Hand, um die Produktionsanlagen in Saarbrücken, in denen schon jetzt auch Hybrid-Automatik-Getriebe produziert werden, für die steigenden Zahlen umzurüsten. Es ist eine der größten Investitionen der saarländischen Wirtschaftsgeschichte.

Konkret bedeutet die Investition, dass die Produktionsanlagen bei ZF auf die komplexeren Getriebe für Hybrid-Motoren umgerüstet werden müssen. Zusätzlich zum klassischen Getriebe sind diese Module auch noch mit einem Elektromotor ausgestattet. Damit können die Fahrzeuge sowohl mit Strom als auch auf längeren Strecken mit einem klassischen Verbrennungsmotor betrieben werden.

Hybrid-Getriebe sind allerdings größer als die normalen Acht-Gang-Automat-Getriebe, die primär im ZF-Werk in Saarbrücken gebaut werden. Deshalb müssen die Produktionen angepasst werden. Bisher dominieren noch die normalen Getriebe: 2,6 Millionen Automat-Getriebe verließen im vergangenen Jahr das Werk an der Saar. 70 000 waren Hybrid-Getriebe. Doch die Zahl soll massiv weiter ansteigen.

Der Umbruch der Branche hin zu mehr Elektromobilität ist bereits im Gange. Zunehmend nehmen Autokonzerne E-Mobile ins Programm auf. Noch spielen die E-Fahrzeuge im Markt eine verschwindend geringe Rolle. Gerade einmal 53 861 reine Elektro-Fahrzeuge waren Anfang des Jahres beim Kraftfahrtbundesamt registriert, 281 129 waren Hybride. Und das bei über 46 Millionen Fahrzeugen. Während aber Benziner und Diesel bei den Neuzulassungen stark zurückgehen, legen Hybride und Elektro-Fahrzeuge hoch zweistellig zu.

Sind es aber die reinen Stromer oder die Hybride, die künftig das Rennen machen? Mittelfristig werden es nach Ansicht des ZF-Managements die Hybrid-Fahrzeuge sein. Vor allem wenn deren Reichweite sich erhöht. ZF-Chef Scheider geht davon aus, dass diese „mit höheren Reichweiten zwischen 80 und 100 Kilometern den Großteil aller Fahrten elektrisch absolvieren und der E-Mobiltität so schneller zum Durchbruch helfen können“.

Eine Investition von fast einer Milliarde Euro macht man aber nicht nur auf der Basis von Prognosen. Vielmehr seien es belastbare Abrufzahlen der Kunden, die diesen Trend bereits jetzt untermauern, sagt Stephan von Schuckmann, Leiter des Bereichs Pkw-Antriebstechnik, zu dem auch das Werk Saarbrücken gehört. „Letztlich reagieren wir jetzt nur auf die Kundennachfrage in diesem Bereich“, sagt er. Weltweit investiert ZF nach Konzernangaben drei Millionen Euro in die „Weiterentwicklung und Zukunftsfähigkeit dieser Produkte.“

Auch der Betriebsratschef des Saarbrücker ZF-Werks, Matthias Scherer, lobt die Investition in die Zukunft. Das werde den Standort für die nächsten 15 bis 20 Jahre sichern, sagt Scherer. Auch er ist überzeugt, dass die Hybrid-Technik die Zukunftstechnik der kommenden 20 Jahre sein wird. Scherer rechnet auch damit dass die neuen Regeln für die Dienstwagenbesteuerung den Hybriden einen deutlichen Schub geben werden: Ab Januar müssen nur noch 0,5 statt ein Prozent bei Hybriden und E-Fahrzeugen als geldwerter Vorteil versteuert werden. E-Mobilität werde sich dagegen wegen der weiter schlechten Infrastruktur noch lange nicht durchsetzen, glaubt Scherer. Schuckmann wiederum hält rein elektrische Fahrzeuge aktuell für „viel zu teuer“.

Offen ist, was die Investition für die Zahl der Mitarbeiter im Werk bedeutet. Klar ist, dass bei einer Konzentration auf die reinen Verbrenner-Motoren langfristig der Absatz zurückgehen wird. Schon jetzt spürt ZF in Saarbrücken nach Aussage des Betriebsratschefs die sinkende Nachfrage im Rahmen der Diesel-Krise. „Es ist klar, dass wir weitere neue Produkte ins Werk bekommen müssen, um einen Mitarbeiterabbau zu vermeiden“, sagt Scherer. Der Konzern sei aber auch daran interessiert, Produktion in Saarbrücken zu halten, sagt er, denn das Werk sei seit Jahren profitabel. In seiner Pressemeldung schreibt der Konzern, dass der Absatz in Saarbrücken langfristig sinken werde, wenn die aktuell prognostizierte Entwicklung hin zur reinen E-Mobilität so fortschreitet, wie in vielen Studien prognostiziert. Damit werde auch die Mitarbeiterzahl sinken. Schuckmann allerdings relativiert dies gleich wieder: „Hybridgetriebe brauchen durch ihre Komplexität auch mehr Arbeitsschritte, wodurch auch mehr Mitarbeiter benötigt werden“, sagt er. Letztlich trage die Investition also auch zu einer Stabilisierung der Mitarbeiterzahl bei. Und die Tatsache, dass der Wandel hin zur E-Mobilität sich über mehrere Jahre hinziehe, „gibt uns die Chance, uns bereits heute darauf vorzubereiten.

Vorerst soll die Hybrid-Produktion Schuckmann zufolge auf den Standort Saarbrücken konzentriert werden. Die Mitarbeiter würden mit Weiterbildung und Qualifizierung auf die neuen Herausforderungen vorbereitet, sagt er. Später soll Saarbrücken dann auch die Führungsrolle übernehmen, wenn es gilt, die Technik in anderen Werken zu etablieren. „Hier entwickelte Schlüsseltechnologien werden auch künftig von Saarbrücken aus weltweit zum Einsatz kommen.“

Auch die Saar-Industrie bewertet die Investition positiv: Joachim Malter, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung saarländischer Unternehmensverbände (VSU) sagte: „Alles, was den Standort stabilisiert und dazu beiträgt, die neuen Technologien einzuführen, ist eine gute Nachricht für das Saarland.“

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