Gastspiel in Saarlandhalle 60 Tänzer, 60 Jahre

Saarbrücken · Was die Leiterin von Chinas Nationalballett zu dessen Saarbrücker Auftritt sagt.

Ein halbes Jahr lang sind sie unterwegs, in China, in Europa, in der ganzen Welt. Um die 110 Auftritte absolvieren sie pro Jahr. „2016 waren es sogar 190“, ergänzt Feng Ying. „Wenn man die Auftritte in kleiner Besetzung mitzählt.“ In einer Mischung aus Stolz und Bescheidenheit erzählt die Direktorin des Chinesischen Nationalballetts über ihr Ensemble aus Peking, das mit mehr als 100 Mitgliedern zu den ganz großen gehört. Robert Leonardy hat sie für sein Festival mit Schwerpunkt „China“ engagiert. Für diesen Samstag hat die frühere Ballerina ein ganz spezielles Programm angekündigt. „Das Beste vom Besten!“ Sie lacht und fährt fort: „Mit über 60 Tänzern möchten wir die ganze Bandbreite dessen zeigen, was wir können, vom Klassischen Ballett über Romantisches, selbstverständlich traditionellen chinesischen Tanz, aber auch modernen.“

Dass ein chinesisches Ensemble zeitgenössischen Tanz zeigt, ist nicht selbstverständlich, denn die Geschichte des Balletts ist in China kurz. Während die Primadonnen im Westen schon längst Pirouetten drehten, begnügte man sich in China meist mit Volkstänzen. „Die Chinesen sind lebensfroh und tanzen auf jedem Fest, damals wie heute“, erzählt Ying. „Aber im Unterschied zum Westen haben wir den Tanz vorerst nicht professionalisiert.“ So kommt es, dass man in China eher klassisches Ballett mag – besser: mochte. Denn wie alles in China entwickelt sich auch der Tanz rasend schnell. Nun ist nach einer etwa 60-jährigen Geschichte der zeitgenössische Tanz in China angekommen und wird immer mehr akzeptiert. Das Nationalballett sieht sich hier in einer Vorreiterrolle. Was noch vor wenigen Jahren schockierte, moderne Interpretationen oder etwa eine „Carmen“ mit kurzen Haaren, gehört heute zum Standard-Repertoire und gefällt.

Um auf dem Laufenden zu bleiben, lädt das Ensemble zum einen angesagte Stars ein, die ihren Stil mitbringen und integrieren, zum anderen tauscht man sich international aus, etwa mit John Neumeier oder William Forsythe. Was das Nationalballett unverwechselbar mache, sei die Kombination aus Tradition und Moderne, gepaart mit Artistik. So finde man neben klassischen Figuren und Formen der Pekingoper auch Elemente der chinesischen Kampfkünste. Das Ensemble verfügt sogar über ein eigenes Orchester, was den Charakter des Gesamtkunstwerks vervollständigt. Für den Saarbrücker Auftritt konnte man das Orchester nicht mit einplanen. Angesprochen auf das Gehalt eines Ensemblemitglieds, reagiert die Chefin sehr emotional. Ebenso wie im Westen erhalten sie auch in China ein eher mittelmäßiges Gehalt, das in keinster Weise der harten Arbeit und kurzen Karriere gerecht wird.

Gastspiel: Sa: 20 Uhr, Saarlandhalle

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