„Blues Brothers“ im Staatstheater Unterwegs im Namen des Blues

Saarbrücken · Party-Stimmung im Staatstheater: Die „Blues Brothers“ sind ein Volltreffer.

 Der Herr erleuchte Euer Singen! Ali Berber als Reverend Cleophus mit seinem Chor.

Der Herr erleuchte Euer Singen! Ali Berber als Reverend Cleophus mit seinem Chor.

Foto: Staatstheater/Martin Kaufhold/Martin Kaufhold

Das Große Haus ist auf den Beinen, klatscht, singt, tanzt und johlt „Zugabe!“. Sowas hat man ja auch nicht alle Abende im Saarländischen Staatstheater. Dabei ist das Stück, also das Musical-Derivat des Films, also die – bleiben wir sachlich – mit einer reichlich abstrusen Story eher mäßig szenisch kaschierte Songfolge beinahe schon so grau meliert wie das Publikum, das sie bejubelt. 1980 drehte John Landis mit John Belushi (Jake) und Dan Aykroyd (Elwood) die „Blues Brothers“. Da waren die Auftritte der Herren mit den schwarzen Anzügen, schwarzen Krawatten, schwarzen Brillen, schwarzen Hüten in der „Saturday Night Live“-Show längst Legende. Der Film aber stellte dann alles in den Schatten, bot von Aretha Franklin bis Ray Charles und James Brown die Granden des Souls auf. Eigentlich hätte der Streifen „Soul Brothers“ heißen müssen. Egal, es war ein Mega-Erfolg. Und das Genre Musikfilm hatte ein neue und wohl ewige Referenz. Trotzdem werden die „Blues Brothers“ auf der Bühne damit nicht zum Selbstläufer. Schon die weiteren „Blues Brothers“-Kinoanstrengungen floppten. Und Legionen von Tribute-Trittbrettfahrern und sonstigen Nachäffern versuchen seit damals aus den Men in Black des Blues Kapital zu schlagen. Das zehrt doch merklich am Mythos.

Das Staatstheater aber landet nun einen Volltreffer mit Jake und Elwood. Warum? Zum einen, weil Matthias Straub getreu dem Slogan der Adenauer-CDU (auch schwarze Männer) inszeniert: keine Experimente! Straub und Dramaturg Horst Busch bleiben hart an Landis KinoOriginal, in Tempo, Witz und Coolness dicht dran. Leicht entschlackt zwar, die US-Nazis etwa flogen raus, stattdessen wurde sogar dezent nachpointiert. Wenn Christiane Motter zum Beispiel als Jakes unheimliche Geliebte und Nemesis wie Uma Thurman in „Kill Bill“ ins gelbe Ganzkörperleibchen schlüpft und mit dem Samuraischwert Jake nach dem Leben fuchtelt. Ansonsten aber wirkt quasi alles leinwandkonform: Klamotten, die Choreografie, selbst das Bluesmobil fehlt nicht. Okay, es ist kein Dodge Monaco, sondern ein auf Ami-Schlitten gedengelter Benz, noch dazu halbiert, der dafür herhalten muss. Doch meckert Jake, dass ihn Elwood ausgerechnet mit einer „Bullenkarre“ aus dem Knast abholt, setzt Straub noch gewitzt einen drauf: Lässt die coupierte Karre von zwei Polizisten über die Bühne schieben. Famos! Was vom Kino fürs Theater zu groß, zu aufwändig wäre, portionieren Straub und sein Team geschickt ins Bühnenmachbare. Elwoods Absteige wird so hochkant in einen Pfeiler der Chicagoer Hochbahn eingepasst; Till Kuhnert versteht ganz offenbar sein Bühnenbildner-Handwerk.

Letztlich aber atmet das Ganze erst durch die Musik. Und da erweist sich die bravouröse Band unter Achim Schneiders Leitung als unter Starkstrom stehendes Nervennetz des Abends – so frisch und authentisch wie sie den Blues-Brothers-Sound revitalisieren. Sieben Mann, doch mit Power hoch zehn, wunderbar sattem Blech, schwarzem Funk-Bassfundament und Gitarrenfeuer (Marc Sauer). Das groovt sofort. Darauf können Solisten, Chor und Statisterie aufbauen. Was für ein Massenspektakel das ist: bis zu 50 Frau und Mann auf der Bühne, von Choreografin Julia Grunwald perfekt auf Temposchritt und in Hüftschwungraserei gebracht. Ein Hingucker und eine Zuhörlust, wenn sie als Gospel-Chor oder im Restaurant von Mrs. Murphy loslegen. Im Film tischt Souldiva Aretha Franklin da ihre Hymne „Freedom“ auf. Da hatte man ja schon ein bisschen Bammel vor diesem Moment in Saarbrücken: Kann die Saar-Bühne da wirklich mithalten? Stefanie Köhm aber singt das so resolut, so mitreißend weg, dass man sich fast schon für die Frage schämt. Und mit Lemuel Pitts hat das Staatstheater für die vielleicht schwersten Momente, wenn es gilt, sich mit Ray Charles und John Lee Hooker zu messen, einen grandiosen Mann, einen exzellenten Sänger parat.

Doch auch andere Stimmen gehen ins Ohr, wie die der so enorm geforderten Soul-Girls (Nina Links, Jennifer Mai und Sue Lehmann). Die beiden Blues-Brüder selbst sind allerdings keine Muster(Sänger)knaben. Thorsten Köhler (Jake) versucht es in memoriam John Belushi als heißerer Shouter und Gregor Trakis markiert eher den Brummer. Stimmlich keine Giganten, das aber waren Belushi und Aykroyd ja auch nicht. Doch was sind Köhler und Trakis für ein grandios ungleiches Brüderpaar: Köhler hält den Vulkan Jake immer kurz vorm Ausbruch, mit der trippelnden Energie eines Flummis, die aber an Elwoods Lethargie einfach abperlt. Ihre Präsenz, ihre Lässigkeit, ihr Timing und ihr Witz machen den Abend zur großen Show. Und sollte mal hier und da ein Quäntchen Sangesklasse fehlen, dann überrollt einen diese Produktion einfach mit ihrer Spiellust, ihrer hochprozentigen Gute-Laune-Energie. „Zugabe!“

Weitere Vorstellungen: 19., 20., 23. und 26. Januar. Karten unter Tel. (06 81) 3 09 24 86.

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