Die AfD und das Theater und das Theater um die AfD Wir müssen reden – aber mit wem?

Berlin/Wien · Theater tun sich schwer im Umgang mit AfD und Rechtspopulismus. Diskussionen zu meiden ist aber der falsche Weg.

 Szene aus Falk Richters Stück „Fear“, in dem er sich mit der AfD auseinandersetzte.

Szene aus Falk Richters Stück „Fear“, in dem er sich mit der AfD auseinandersetzte.

Foto: dpa/Arno Declair

Bei der Tagung des Deutschen Bühnenvereins kürzlich war man sich bei der Podiumsdiskussion „Wir müssen reden. Das Fremde und das Eigene“ wieder mal einig: Theater müssen mit allen gesellschaftlichen Gruppen im Gespräch bleiben. In einer Resolution formulierte man, Diskurs- und Kompromissfähigkeit sei das „Gegenteil von Populismus“.

Schöne Worte. Tatsächlich tun sich die Theater beim Umgang mit dem Rechtspopulismus schwer. AfD-Bashing mit erhobenem Zeigefinger, auf und neben der Bühne, ist erlaubt und wohlfeil. Aber diskutieren will man mit den Rechten lieber nicht. In Stendhal platzte eine Podiumsdiskussion, weil Renan Demirkan, Schauspielerin und Mitinitiatorin des Aufrufs „Lasst uns reden, über alles, was uns bedrückt, mit jeder und jedem“, nicht mit AfD-Landeschef André Poggenburg an einem Tisch sitzen wollte. In Magdeburg wurde der rechtsnationale Verleger Götz Kubitschek zu einer Diskussion ein- und wieder ausgeladen, weil man ihm nicht den „Ritterschlag“ eines Gesprächs gönnen wollte. Im Zürcher Theaterhaus wurde der AfD-Vordenker und Sloterdijk-Jünger Marc Jongen zum Podium „Die neue Avantgarde“ eingeladen – und die Veranstaltung abgesagt, nachdem Kulturschaffende davor gewarnt hatten, diesem „raffiniertesten Rhetoriker“ der Neuen Rechten eine Bühne zu bieten.

Zuletzt wurde im Wiener Burg­theater Alexander Gauland wieder ausgeladen und durch den offenbar unverfänglicheren Schweizer Rechtsausleger Roger Köppel ersetzt. Selbst Marc Grandmontagne, Geschäftsführer des Bühnenvereins, hält den Dialog zwischen Theater und Rechtspopulisten für „gescheitert“.

Ausgerechnet das Theater, das sich sonst immer als Heimstatt spannender Debatten und politischer Grenzüberschreitungen inszeniert, kneift. Reden? Aber immer, auch mit Andersdenkenden, aber bitte nicht mit „Rechtspopulisten“. Das Echo auf die Feigheit der Diskurshelden fällt entsprechend verheerend aus. Jan Fleischhauer lästerte im „Spiegel“ über den „Rückzug ins Mauseloch“. „Wo bleibt der Mut zum Streit?“ höhnte die „NZZ“, die „Zeit“ sprach von linker „Angst-Arroganz“.

Die beste Bühne für die AfD ist die, die sie nicht betreten darf oder muss: Sie profitiert am meisten von dem durchsichtigen Versuch, sie durch Totschweigen zu marginalisieren, und inszeniert sich dann triumphal als Opfer der „linksrotgrün versifften“ Diskurshegemonie. Donald Trump oder die AfD werden nicht gewählt, weil sie von linken Podien  „salonfähig gemacht“ werden, sondern weil sie den Sprachlosen und Abgehängten ihre wie auch immer verzerrte Stimme geliehen haben. Kein Zufall jedenfalls, dass der Aufstieg der AfD gebremst wurde, seit sie in Landtagen, Talkshows und selbst Kirchentagen Rede und Antwort stehen muss. Die Strategie „nicht einmal ignorieren“ ist kontraproduktiv. Und abgesehen davon sind Redeverbot, Diskussionsboykott und Kontaktsperre nicht gerade lupenrein demokratische Kampfmittel. „Wir werden um ein Gespräch nicht herum kommen“, sagt der Düsseldorfer Intendant Winfried Schulz.

In vielen Theatern hat sich diese Einsicht noch nicht durchgesetzt. Fast so hilflos wie vorsortierte Diskussionsrunden und pathetische Manifeste sind die Stücke, die sich „inhaltlich“ mit dem rechtspopulistischen Feind auseinandersetzen. „Fear“ oder zuletzt „Verräter“, Falk Richters Projekte gegen rechts am Berliner Gorki-Theater, kamen nicht über Politklamauk hinaus. In Heidelberg blieb Kevin Rittbergers Collage „Peak White oder Wirr sinkt das Volk“ in Schlagwort-Stakkatos stecken.

Die AfD fordert, die Theater müssten ihr subventioniertes „Regenbogen-Willkommens-Trallala“ endlich abstellen und sich wieder auf den „deutschen Kanon“ und die nationale Leitkultur zurück besinnen. Sie darf das, auch wenn rechtspopulistische Kulturpolitik für viele eine Provokation ist. Was aber gar nicht geht, ist: Unliebsame Autoren, Schauspieler und Intendanten bedrohen und angreifen. In Aachen versuchte die AfD (vergeblich), Passagen aus Reza Jafaris Stück „Heiliger Krieg“ gerichtlich zu verbieten. In Altenburg wurden dunkelhäutige Schauspieler des Theaters auf offener Straße angepöbelt. Im Gorki-Theater störten Aktivisten der Identitären Bewegung eine Diskussion mit Margot Käßmann und nannten ihre Krawallaktion dreist „ästhetische Intervention“. Der Bühnenverein verwahrte sich auf seiner Tagung scharf gegen diese Angriffe auf die Kunstfreiheit.

Der linke Theaterhistoriker und Dramaturg Bernd Stegemann hat gerade in seiner vieldiskutierten Kampfschrift „Das Gespenst des Populismus“ dem „ästhetischen Populismus“ des Kultur-Establishments eine Mitschuld am Aufstieg des politischen Populismus gegeben. Das „Gedöns der Eliten“, die Verfremdungsästhetik von Brecht und Adorno, narzisstische Regisseure und Performer, „Experten des Alltags“, die sich an die authentische Lebenswirklichkeit „echter“ Menschen heranwanzen, kurz: Die Abkehr vom klassischen Repräsentationstheater habe das Volk dem Theater entfremdet und anfällig für vermittlungslose populistische Lösungen gemacht.

Stegemanns Polemik ist heftig widersprochen worden: Theater habe sich in seiner Geschichte oft durch von außen kommende Diskurse und Laien-Akteure erneuert. Aber es muss auch seine Filterblase immer wieder verlassen und sich einer Realität stellen, die nicht nur aus Multikulti-Gedöns, Liederabenden mit syrischen Flüchtlingen und linken Diskussionsrunden besteht.

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