FKK Nirgends mehr Nackte zu sehen

Merseburg · Gregor Gysi beklagt den Rückgang der Freikörperkultur. Selbst blank ziehen will er aber erst, wenn Merkel mitmacht.

 Im Mai 1986 sonnen sich Dutzende Nudisten am Müggelsee in Ostberlin. Heute gibt es immer weniger FKKler. Das beklagt auch Linken-Politiker Gregor Gysi.

Im Mai 1986 sonnen sich Dutzende Nudisten am Müggelsee in Ostberlin. Heute gibt es immer weniger FKKler. Das beklagt auch Linken-Politiker Gregor Gysi.

Foto: dpa/Thomas Uhlemann

() Else Buschheuer hat ein Herz für FKK. Und für Gregor Gysi. Zumindest startet die Schriftstellerin und Journalistin auf Twitter den Versuch, mit dem Schlagwort #nacktfuergysi („nackt für Gysi“) einen Trend zu starten. Sie selbst geht voran – und postet ein Foto vom Strand, das sie hüllenlos am Horizont zeigt. Doch kaum ein Nutzer folgt ihrem Beispiel. Damit scheint das Netzwerk einen Beleg für das zu liefern, was der Linken-Politiker Gysi medienwirksam beklagt: Die Freikörperkultur, das Nacktbaden, ist auf dem Rückzug.

Der 69-Jährige bedauert das im „Playboy“. In der „Bild“, die Gysi zum „Nacktivisten“ erklärt, legt er nach. Die Zeit sei reif, FKK wieder auszudehnen: „Da kann der Westen was vom Osten lernen.“

„FKK ist sicherlich nicht totzu­kriegen, das ist die gute Nachricht“, sagt Konrad Weller, Professor für Sexualwissenschaft an der Hochschule Merseburg in Sachsen-Anhalt. Allerdings gebe es einen Wandel. Er habe in mehreren Studien festgestellt, dass der öffentliche wie auch der familiär-private Umgang mit dem Nacktsein im Osten Deutschlands seit der Wiedervereinigung verhaltener geworden sei. „In den letzten Jahren der DDR hatten 90 Prozent der Jugendlichen FKK-Erfahrungen. Im Jahr 2013 war es nur noch die Hälfte“, sagt Weller. Auch die Vorbehalte seien größer geworden. Eine neue Prüderie sieht er nicht.

Vielmehr sorge die dauerpräsente mediale Nacktheit dafür, dass die leibhaftige Variante wieder beschämender aufgenommen werde, sagt Weller. Blanke Haut verliere ihre Unschuld. Der Blick sei ein anderer als in der entspannten und breit gelebten FKK-Kultur der DDR, die heute viele Heranwachsende nicht mehr erlebten. „Die Vorstellung, Nacktheit zu sehen, ohne erregt zu sein, fehlt“, sagt der Forscher.

FKK sei zunächst einmal eine Frage der Definition, sagt der Präsident des Deutschen Verbands für Freikörperkultur (DFK), Herbert Steffan. „Wenn es um die geht, die bei Gelegenheit mal nackt in den Badesee springen, dann reden wir von Millionen.“ Und dann gebe es den harten Kern, der Sommer wie Winter die Freikörperkultur pflege. In 135 Vereinen in Deutschland seien knapp 35 000 Fans organisiert. Die meisten Vereine gebe es im Westen Deutschlands. FKK, gar keine klassische Ost-Tradition?

Doch, sagt DFK-Präsident Steffan. Die ersten Vereine für Freikörperkultur seien um 1900 entstanden, in der Zeit des Nationalsozialismus wurden sie aufgelöst. Im geteilten Deutschland sei FKK im Osten einfach wirklich frei und überall gelebt worden. Im Westen wurde sie laut Steffan dagegen auf die Vereinsgelände der FKK-Anhänger verbannt. „Bis heute fassen wir im Osten kaum Fuß, weil die Menschen sagen: Warum soll ich eintreten? FKK kann ich überall machen.“ Zum Beispiel im Heidebad am Rande von Halle. Badbetreiber Matthias Nobel nennt die Nacktbader seine treusten Gäste. Ein Drittel seiner Badegäste sei textilfrei unterwegs. Die Vorsitzende des Vereins für Körperkultur Berlin Südwest, Karin Siebert, konstatiert dagegen abnehmendes Interesse – und größere Vorsicht. Sexualwissenschaftler Weller sieht dafür berechtigte Gründe. Es gebe einen sensibleren Umgang mit Nacktheit, auch wegen des seit einigen Jahren allgegenwärtigen Filmens und Fotografierens.

Und wie sieht es dort aus, wo die FKK-Kultur in der DDR ihr Zentrum hatte, an der Ostsee? Dort gibt es nach wie vor viele FKK-Strände, sagt Katrin Hackbarth vom Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern. Allein elf von ihnen auf Usedom, sieben auf Rügen. „Es kommt hinzu, dass sich die Gäste auch nicht immer nach den Schildern richten.“ An vielen Stränden gebe es ein friedliches Miteinander zwischen Angezogenen und Nackten.

Auf Twitter entpuppte sich Gysi dann aber als zurückhaltender Kämpfer für das Nacktbaden – zumindest nach Darstellung von Else Buschheuer. Sie hatte den Politiker aufgefordert, sich an ihrer Aktion #nacktfuergysi zu beteiligen. Später veröffentlichte sie dann eine an sie gesendete Nachricht: „Liebe Else, auf dem Bild bist du ja kaum zu erkennen. Das ist ja Schummel. Ich mache es erst, wenn es auch Angela Merkel macht. Liebe Grüße Gregor.“

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