Einwanderungsgesetz Die Groko setzt auf Fachkräfte aus aller Welt

Berlin · Die Bundesregierung verständigt sich auf den Entwurf des ersten deutschen Einwanderungsgesetzes – das viele Neuerungen vorsieht.

  Das Einwanderungsgesetz soll den Arbeitsmarkt für qualifizierte Bewerber aus dem Ausland öffnen. Die Groko will es noch im Dezember beschließen.

Das Einwanderungsgesetz soll den Arbeitsmarkt für qualifizierte Bewerber aus dem Ausland öffnen. Die Groko will es noch im Dezember beschließen.

Foto: dpa/Hendrik Schmidt

Die Lage ist alles andere als rosig, die das Innenministerium in dem 141 Seiten starken Entwurf eines „Fachkräfteeinwanderungsgesetzes“ beschreibt: So sei die Zahl der offenen Stellen in Deutschland „aktuell auf rund 1,2 Millionen angestiegen“, heißt es gleich zu Beginn. Der Fachkräftemangel habe „sich zu einem Risiko für die deutsche Wirtschaft entwickelt“. Nicht nur Hochschulabsolventen, sondern zunehmend Kräfte mit qualifizierter Berufsausbildung würden fehlen. All das soll sich nach dem Willen der Koalition ändern – und zwar schon bald.

Anfang Oktober wurden die Eckpunkte des ersten Einwanderungsgesetzes in der Geschichte der Bundesrepublik bereits vorgestellt. Nun hat sich die Groko auf einen Gesetzentwurf über den zukünftigen Umgang mit Fachkräften aus dem Ausland verständigt, der unserer Redaktion vorliegt. Ein Kabinettsbeschluss ist demnach für den 19. Dezember geplant. Zum Schließen der Lücke gelte es, in erster Linie inländische und innereuropäische Potenziale zu heben. „Absehbar wird dies jedoch nicht ausreichen, um den Fachkräftebedarf zu sichern“, heißt es in dem Papier. Ziel des Gesetzesentwurfs sei es daher, durch gezielte und gesteuerte Zuwanderung von Fachkräften aus Drittstaaten die Bedarfe aufzufangen „und so einen Beitrag zu einem nachhaltigen gesellschaftlichen Wohlstand zu leisten“. Laut Entwurf rechnet das Innenministerium durch die Neuregelungen mit rund 130 000 zusätzlichen Aufenthaltserlaubnissen zur Erwerbstätigkeit im Jahr.

Künftig darf demnach jeder in Deutschland arbeiten, der einen Arbeitsvertrag und eine von deutscher Seite anerkannte Qualifikation hat. Um Missbrauch vorzubeugen, soll die Überprüfung der Einreise bei zentralen Stellen konzentriert werden. Zugleich wird ein beschleunigtes Verfahren geschaffen: Die bisher geltende Prüfung, ob ein Deutscher oder ein EU-Bürger für die Stelle infrage käme, soll wegfallen. Bisher galt dies nur für Berufe, bei denen in erheblichem Umfang nicht genügend Arbeitnehmer zur Verfügung standen. Die neue Regelung soll nun zunächst fünf Jahre lang probeweise gelten. Sollte sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt in dem Zeitraum ändern, kann laut Entwurf die Vorrangprüfung kurzfristig wieder eingeführt werden.

Zu den Neuerungen gehört auch, dass künftig Fachkräfte für sechs Monate einreisen dürfen, um sich hier eine Stelle zu suchen. Voraussetzung ist allerdings, dass sie gut genug Deutsch sprechen und ihren Lebensunterhalt allein bestreiten können. Darüber hinaus soll „eine begrenzte Möglichkeit“ geschaffen werden, sich „unter bestimmten Voraussetzungen“ im Ausland erworbene Berufsausbildung erst nach der Einreise in Deutschland anerkennen zu lassen, wie es weiter im Entwurf heißt. Wie genau hier die Steuerung aussehen soll, lässt das Papier freilich offen. Generell soll sich auch der Umgang mit Geduldeten, also Flüchtlingen, deren Abschiebung „ausgesetzt“ ist, ändern: Für jene, die arbeiten und ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten, sollen gemäß des Entwurfs „klare Kriterien“ für einen verlässlichen Bleibestatus geschaffen werden. Ausgebaut werden in diesem Zusammenhang die Möglichkeiten für die „Ausbildungsduldung“, wonach Flüchtlinge während ihrer Lehre nicht abgeschoben werden und nach dem Abschluss noch zwei Jahre hier arbeiten dürften. Für gut integrierte Geduldete sieht der Entwurf zudem eine neue „Beschäftigungsduldung“ von zwei Jahren vor, sofern die Betroffenen seit 18 Monaten mit mindestens 35 Wochenstunden sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, gut genug Deutsch sprechen und ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten könnten. Das scheint der Kompromiss zu sein im Streit zwischen SPD und Union um den sogenannten „Spurwechsel“ für Menschen, deren Asylantrag zwar abgelehnt worden ist, die aber integriert sind und einen Arbeitsplatz haben.

Der SPD-Innenexperte Burkhard Lischka lobte den Entwurf. Für die SPD sei besonders wichtig, mit dem Gesetz „all jenen den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt in einem Expressverfahren zu ermöglichen, die bereits einen Arbeitsvertrag vorweisen können und händeringend von unseren Betrieben gebraucht werden“, sagte Lischka zu unserer Redaktion. FDP und Grüne kritisierten hingegen die Pläne der Groko. Sie blieben weit hinter den Erwartungen an ein Einwanderungsgesetz zurück, sagte FDP-Experte Stephan Thomae.

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