Karl Lagerfeld ist tot Der letzte Zar der Modewelt

Paris · Karl Lagerfeld hat über ein halbes Jahrhundert die Mode geprägt. Nun ist der ehemalige Kreativdirektor von Chanel gestorben.

  Exzentrisch kreativ: Karl Lagerfeld entwarf sich selbst als Steiff-Teddy. Der Bär trägt seine typischen Kleidungsstücke: Dazu gehören schwarze Brille, schwarze Seidenkrawatte und ein weißes Hemd mit Stehkragen und Knopf-Leiste .

Exzentrisch kreativ: Karl Lagerfeld entwarf sich selbst als Steiff-Teddy. Der Bär trägt seine typischen Kleidungsstücke: Dazu gehören schwarze Brille, schwarze Seidenkrawatte und ein weißes Hemd mit Stehkragen und Knopf-Leiste .

Foto: dpa/A9999 Steiff

Bis zuletzt war gerätselt worden. Kommt Karl Lagerfeld zur Fashion Week „Milano Moda Donna“? Wird er auch dieses Jahr zusammen mit Silvia Venturini Fendi, für die er seit 1965 arbeitete, über den Laufsteg stolzieren und den Schlussapplaus entgegennehmen? Einen Tag vor der Eröffnung der Show in der norditalienischen Metropole bricht eine bestürzende Nachricht über die Modewelt herein: Karl Lagerfeld ist tot. Er ist mit 85 Jahren gestorben, teilte das französische Modehaus Chanel gestern in Paris mit.

Gerüchte über den angeschlagenen Gesundheitszustand des exzentrischen Modeschöpfers kursierten schon seit Wochen. Vor allem seine Abwesenheit bei der Haute Couture Show von Chanel Ende Januar in Paris hatte zu Irritationen geführt. Nur eine „Erschöpfung“ beschwichtigte das offizielle Statement des Modehauses, für das er fast vier Jahrzehnte gearbeitet hat.

 Karl Lagerfeld 1992 mit Claudia Schiffer. Er machte aus der Deutschen ein Supermodel.

Karl Lagerfeld 1992 mit Claudia Schiffer. Er machte aus der Deutschen ein Supermodel.

Foto: picture alliance / United Archiv/dpa Picture-Alliance / Wolfgang Kühn

Wie kaum ein Zweiter hat „König Karl“ über ein halbes Jahrhundert die Modewelt geprägt – und wurde dabei selbst zur Marke. Seit 1976 trug er einen gepuderten Zopf und eine dunkle Sonnenbrille. Legendär wie sein Äußeres sind aber auch Karl Lagerfelds Sprüche, mit denen er seine Umwelt verspottete. Vernichtend war das Urteil des Modemachers über allzu legere Freizeitkleidung: „Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.“

Großen Wirbel löste 2017 Lagerfelds Kritik an Angela Merkel aus. Die deutsche Kanzlerin habe eine Million zusätzliche Flüchtlinge aufgenommen, „um sich ein charmantes Image zu geben“. Merkel habe mit der Flüchtlingspolitik einen großen Fehler gemacht. „Man kann nicht, selbst wenn Jahrzehnte dazwischen liegen, Millionen Juden töten, um danach Millionen ihrer schlimmsten Feinde kommen zu lassen.“ Der Aufstieg Lagerfelds zum Urgestein des Pariser Chic ist lückenlos dokumentiert, doch um seinen Geburtstag ranken sich mehrere Geschichten. Nach eigenen Angaben kam er 1935 in Hamburg zur Welt. Als mögliches Geburtsjahr kursiert aber auch das Jahr 1933, nach dem er laut Auszügen des kirchlichen Taufregisters Hamburg und den Aussagen seiner Lehrerin das Licht der Welt erblickte.

Fotos aus dem Leben von Karl Lagerfeld, der am 19. Februar 2019 starb
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Karl Lagerfeld ist tot – ein Blick zurück

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Foto: dpa/Christophe Ena

Tatsache aber ist, dass Lagerfeld in begüterten Verhältnissen auswuchs. Sein Vater war der Hamburger Kondensmilch-Fabrikant Otto Lagerfeld, der mit Glücksklee-Milch ein kleines Vermögen machte. Seine Mutter Elisabeth stammte aus dem Münsterland und war Tochter eines Landrats. Sie war es auch, die das künstlerische Talent des Sohnes erkannte und mit ihm als jungem Mann nach Paris zog. Dort arbeitete er nach dem Schulabschluss kurze Zeit als Illustrator.

Schon mit 16 Jahren schaffte er den Einstieg in die Modebranche. Beim Wettbewerb des Internationalen Wollsekretariats in Paris belegte er 1954 mit dem Entwurf eines Mantels den ersten Platz. Diese Auszeichnung verschaffte ihm eine Lehrstelle bei Pierre Balmain. Schnell wurde sein Ausnahmetalent deutlich und Lagerfeld begann für verschiedene Modehäuser zu arbeiten.

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Foto: dpa/Francois Mori

Sein Meisterstück machte Lagerfeld schließlich mit der Umgestaltung der traditionsreichen Luxusmarke Chanel, für die er ab 1982 als Kreativdirektor arbeitete. Er hauchte der etwas angestaubten Modemarke für ältere Damen mit seinen fast revolutionären Ideen neues Leben ein. Dem Erbe Coco Chanels blieb er treu, doch übersetzte er die kragenlosen Jacken neu, brachte den typischen Tweedstoff mal zerfranst, mal mit Bändern durchwirkt heraus oder kombinierte Haute Couture Kleider zu Sneakers.

Aber Lagerfelds unermüdlicher Gestaltungswille beschränkte sich nicht nur auf die Haute Couture. Für Aufsehen sorgte 2004 seine Ankündigung, kostengünstige Mode für den schwedischen Discount-Modefilialisten H&M zu entwerfen. Lagerfeld war der erste Design-Kooperationspartner. Ihm folgten unter anderem Lanvin und Versace.

Wichtig aber war es für den Modeschöpfer, immer seine eigene Freiheit zu behalten. Aus diesem Grund wollte er nie sein eigenes Unternehmen besitzen, sondern arbeitete mit der ihm eigenen eisernen Disziplin für verschiedene Häuser.

Neben seiner Tätigkeit als Designer war Lagerfeld auch als Fotograf ein Star. Er lichtete nicht nur seine eigene Werbekampagne ab, sondern es entstanden auch Kunstbücher, und er machte Aufnahmen für Modemagazine. Dabei war er nur durch einen Streit zur Fotografie gekommen. Bei Chanel war er als Designer mit dessen Fotodirektor aneinandergeraten, der ihm schließlich genervt empfahl: „Wenn Sie so schwierig sind, dann machen Sie’s doch selbst!“ Was der Modemacher sich nicht zweimal sagen ließ. Bekannt wurden unter anderem Lagerfelds Aufnahmen für den Pin-Up-Kalender des italienischen Reifenherstellers Pirelli.

Der Unermüdliche zeichnete auch Karikaturen und designte Inneneinrichtungen. Zudem liebte Lagerfeld Bücher, von denen er nach eigenen Angaben rund 300 000 zu Hause hatte.

Legendär ist Lagerfelds Gespür für kommende Trends und auch für Menschen. Er war es, der Claudia Schiffer mit 18 Jahren für Chanel auf den Laufsteg schickte. Mit ihr provozierte Lagerfeld im Jahr 1993 einen veritablen Skandal, indem er das Model in mit Koranversen besticktem Mieder auf den Laufsteg schickte.

Zuletzt verhalf Lagerfeld, der von sich selbst sagte, dass er gerne alleine lebe, Choupette auf die Coverseiten verschiedener Modemagazine. Bei Choupette handelt es sich allerdings nicht um einen Menschen, sondern um Lagerfelds Katze. Der Meister veröffentlichte in ihrem Namen Interviews und brachte Bücher auf den Markt. Choupette warb für Autos und Kosmetik und war auf allen wichtigen Social-Media-Plattformen vertreten – und soll auf diesem Weg mehrere Millionen Euro verdient haben.

Fast scheint es so, dass Karl Lagerfeld alles, was er mit seiner unbändigen Energie in Angriff nahm, in Gold verwandelte. Nun hinterlässt das Multitalent ein Modeimperium, dessen Wert auf mehrere Millionen Euro geschätzt wird. Das ist die eine, die wirtschaftliche Seite. Die ganze Wahrheit aber ist, dass die Welt mit dem Tod von Karl Lagerfeld den letzten, wirklich großen Modezaren verloren hat.

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