Hochschule für Technik und Wirtschaft „Balu“ begleitet Kinder durch den Alltagsdschungel

Saarbrücken · Ein Projekt der HTW in Saarbrücken stellt Kindern in Notsituationen Studierende als bärenstarke Partner zur Seite.

 Die Studentin Luisa Aslan (22), die sich bei dem bundesweiten „Balu“-Projekt zur Förderung von Grundschulkindern engagiert, mit der achtjährigen Leony in einer Saarbrücker Bowling-Halle.

Die Studentin Luisa Aslan (22), die sich bei dem bundesweiten „Balu“-Projekt zur Förderung von Grundschulkindern engagiert, mit der achtjährigen Leony in einer Saarbrücker Bowling-Halle.

Foto: dpa/Katja Sponholz

Der Donnerstag ist ein ganz besonderer Tag für die achtjährige Leony. „Auf den freut sie sich immer besonders, dann fragt sie ständig, wann es soweit ist“, erzählt ihre Mutter. Denn am Donnerstag kommt Leonys „Balu“, um etwas mit ihr zu unternehmen: Mal geht es gemeinsam ins Kino, mal zum Bowlen oder in den Zoo. Leonys „Balu“ heißt eigentlich Luisa Aslan und ist 20 Jahre alt. Als Studentin der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Saarbrücken beteiligt sie sich an dem bundesweiten Mentorenprojekt „Balu und Du“. Es fördert Kinder im Grundschulalter und begleitet sie durch den Alltagsdschungel des Lebens.

Das Ziel: Junge engagierte Leute helfen den Kindern durch persönliche Zugewandtheit und aktive Freizeitgestaltung, sich in unserer Gesellschaft zu entwickeln und Herausforderungen des Alltags erfolgreich zu meistern. Die Mentoren, die „Balus“, stehen ihnen in einer Phase zur Seite, die nicht immer einfach, aber für das weitere Leben prägend ist. Mit ihnen machen die Kinder, nach dem Dschungelbuch die „Moglis“ genannt, neue Erfahrungen, erhalten außerschulische Lernanregungen - und haben einfach Freude zusammen.

So wie Leony und Luisa an diesem Donnerstag. Der geplante Besuch des Wildparks muss zwar wegen schlechten Wetters ins Wasser fallen, doch dafür holt die Studentin das Mädchen, das in einem Hochhaus lebt, zum Bowlen am anderen Ende der Stadt ab. Aufmerksam lässt sich die Achtjährige dort von der Studentin die Regeln des Spiels erklären, schaut ihr zu, wie man die Bowling-Kugel richtig auf die Bahn bringt und freut sich gemeinsam mit ihr über jeden Kegel, der umfällt. Wer aus diesem Match aus Sieger hervorgeht, ist zweitrangig. Denn gewinnen tun beide.

„Es ist schön mit Luisa“, sagt Leony in einer Pause. „Sie ist so lieb und macht tolle Sachen mit mir.“ Als „Opfer“ empfindet die Studentin mit kurdischen Wurzeln die Zeit nicht, die sie jede Woche mit dem Kind verbringt. Im Gegenteil. „Ich bin jemand, der anderen gerne hilft. Und ich glaube, manchmal freue ich mich sogar noch mehr als Leony auf unsere Nachmittage“, sagt sie lachend. Darüber hinaus schenken ihr die Begegnungen eine willkommene Praxiserfahrung zu ihrem Studiengang „Soziale Arbeit und Pädagogik der Kindheit“.

Schon im vergangenen Jahr hatte sie an dem einjährigen Mogli-Projekt teilgenommen und sich um einen Jungen gekümmert. „Was ich da erfahren und erlebt habe, hat mich umgehauen. Da musste ich einfach weitermachen“, gibt sie zu.

Die Zweifel vom Anfang, ob sie der großen Verantwortung überhaupt gewachsen sei, sind verschwunden. Inzwischen weiß sie, dass die gemeinsam verbrachte Zeit nicht nur eine willkommene Abwechslung im Leben der Kinder ist, sondern diese auch weiterbringt: Weil sie im Laufe der Zeit nicht mehr so verschlossen oder unsicher sind, sondern fröhlicher und aktiver werden.

Ein Eindruck, der bei diesem bundesweiten Präventions- und Mentorenprogramm aus der Resilienzforschung auch wissenschaftlich belegt ist. „Für mich ist das Tollste zu sehen, dass sich in diesem einen Jahr die Kinder wirklich ihren positiven Anlagen entsprechend kindgerecht und gesund entwickeln, dass sie einfach fröhlicher und kommunikationsstärker werden und Lernfreude entwickeln“, sagt Projektkoordinatorin Silvia Grewelinger-Diewald. Evaluationen hätten bestätigt, dass die Kinder selbstbewusster werden, ein positives Selbstbild erhalten und sich besser konzentrieren können als zu Beginn des Projektes. Ausgesucht werden die „Moglis“ von Lehrern und Sozialpädagogen der Grundschulen, mit denen die HTW eng zusammenarbeitet. „Wir fragen sie: Gibt es ein Kind, um das man sich Gedanken oder Sorgen machen muss“, erläutert Grewelinger-Diewald.

Das Projekt gibt es im Saarland seit 2008. Damals startete die HTW mit acht Gespannen, in diesem Jahr sind es 14. Insgesamt konnten von „Balu und Du“ bereits rund 100 Kinder und Studierende profitieren. Wobei es sich bei den Teilnehmern nicht immer nur um angehende Sozialarbeiter oder Sozialpädagogen handelt. „Inzwischen ist das Projekt interdisziplinär verankert“, sagt die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin. Auch Studierende der Uni Saarbrücken – meistens Psychologie-Studenten, aber auch Studenten der Betriebswirtschaft oder Architektur – zählen heute dazu.

Einige nehmen ehrenamtlich an dem Projekt teil, andere nutzen die Chance, auf diese Weise die fürs Studium erforderlichen Credit Points (Leistungspunkte) oder die Anerkennung als Vorpraktikum zu erhalten. „Viele Studierende sehen es auch als Projekt Praxisvernetzung“, sagt Grewelinger-Diewald. Doch für die allermeisten bedeutet es mehr als nur ein Baustein des Studiums. „Eine Teilnehmerin hat mal gesagt: Ich bin gekommen, weil ich etwas lernen wollte“, berichtet die Projektleiterin, „aber ich bin geblieben, weil ich ganz viel von meinem Mogli gelernt habe.“

Eine Einschätzung, die auch Luisa Aslan teilt. „Ich persönlich habe Selbstdisziplin gelernt“, gibt sie zu. Bei Verabredungen mit Freunden könne man auch mal absagen oder zu spät kommen – bei Leony ginge das nicht. „Da wäre die Enttäuschung einfach zu groß.“

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