Umorientierung im Job Wie der Berufswechsel gelingt

Zittau · Nach zehn Jahren im Job eine neue Ausbildung oder gar ein Studium beginnen? Sich neu zu orientieren ist kein Drama.

 Wer dauerhaft mit seinem Job unzufrieden ist, sollte über eine Veränderung nachdenken.

Wer dauerhaft mit seinem Job unzufrieden ist, sollte über eine Veränderung nachdenken.

Foto: dpa-tmn/Monique Wüstenhagen

(dpa) Die ersten Zweifel überkamen Janna Moser während des Studiums. Zuerst machte sie eine Ausbildung zur Erzieherin, arbeitete dann im Hort und setzte ihrer bisherigen beruflichen Laufbahn schließlich mit einem Studium der Sozialen Arbeit die Krone auf. Auf dem Lebenslauf wird das alles sehr vorbildlich aussehen, dachte sie sich. Doch glücklich war Moser damit nicht. „Mir hat das ganze System nicht gefallen, die Rahmenbedingungen waren nicht so toll, es gibt immer zu wenig Mitarbeiter“, erinnert sie sich.

Mit diesem unguten Gefühl trat die 32-Jährige nach dem Studium ihren ersten Job an, eine Stelle bei der Lebenshilfe, befristet auf ein Jahr. „Das hat es leichter gemacht“, erzählt sie, „ich dachte, ich gebe dem Ganzen eine Chance.“ Doch nach dem Jahr war klar: Sie will raus aus dem sozialen Bereich, sich etwas anderes suchen, noch einmal neu anfangen. „Ich wusste, dass ich gerne etwas Handwerkliches machen will“, erzählt Moser.

Daraufhin folgten Recherchen im Internet und bei der Handwerkskammer, Beratungsgespräche an der Uni, schließlich ein Praktikum in einer Töpferei. Dann stand die Entscheidung fest: Eine Ausbildung zur Keramikerin. Sie zog von Nürnberg nach Zittau in Sachsen, begann eine zweite Ausbildung an einem anderen Wohnort. Ein neues Leben.

So schnell fällt die Entscheidung nicht bei allen, die beruflich noch einmal bei Null anfangen wollen. „Zu mir kommen hauptsächlich Leute, die überhaupt nicht wissen, was sie wollen“, sagt Bärbel Löwe, Berufs- und Laufbahnberaterin in Hamburg. Und zwar auch dann, wenn sie schon mitten im Berufsleben stecken. „Von den 11 000 Beratungen und Eignungsbegutachtungen, die ich zum Thema Beruf und Laufbahn in den letzten 30 Jahren durchgeführt habe, sind die Hälfte zum Thema Um- und Neuorientierung gewesen.“

Die Gründe für den Wunsch nach Veränderung sind dabei unterschiedlich: Das Berufsfeld wandelt sich, Jobaussichten schwinden, Anforderungen steigen. Manchmal spielen auch gesundheitliche Gründe eine Rolle, etwa wenn Friseure plötzlich eine Kontaktallergie entwickeln. Wann sollte man ins Grübeln geraten, ob der eingeschlagene Weg tatsächlich der richtige ist? Ganz einfach, sagt Löwe: „Wenn man nicht mehr gerne zur Arbeit geht.“

Doch was dann? Die Ängste seien oft groß, beobachtet Löwe – obwohl es viele Möglichkeiten gibt. Beratung und Hilfe finden Interessierte in den Berufsinformationszentren (BIZ) der Bundesagentur für Arbeit, bei Studienberatungsstellen oder bei selbstständigen Coaches und Berufsberatern. Der Deutsche Verband für Bildungs- und Berufsberatung (dvb) und das Berufsberatungsregister listen Anbieter auf und helfen mit Kriterien bei der Auswahl.

Berater können aber nur unterstützend zur Seite stehen. „Es hilft nicht, dass ein Experte weiß, was gut für mich ist.“ Man müsse selbst davon überzeugt sein, bevor man so eine wichtige  Entscheidung wie einen Berufswechsel trifft, sagt Löwe. Nicht immer sei der Beruf der Grund für die latente Unzufriedenheit.

Eine zweite Ausbildung kann ins Geld gehen. Und auch ein Zweitstudium kostet in manchen Bundesländern extra. Bafög gibt es meist nur für die erste Ausbildung, bis auf wenige Ausnahmen. Die Finanzen können daher eine entscheidende Hürde sein. „Von einer Vollzeitstelle in ein Studium, das bedeutet große Einbußen“, sagt Stefan Petri von der Studienberatung der Freien Universität Berlin. Löwe rät, sich nach Stipendien umzusehen. Wer eine Umschulung oder Weiterbildung macht, um im neuen Berufsfeld Fuß zu fassen, wird teilweise von der Arbeitsagentur mit Arbeitslosengeld unterstützt. Viele nehmen laut Löwe für den Neustart auch einen Kredit auf.

Wer noch einmal in den Hörsaal zurück will, fragt sich oft, wie gut er überhaupt wieder ins Lernen zurückfindet. Und noch ein Thema hört Petri häufiger: Bin ich dann der Einzige, der zehn, zwölf Jahre älter ist als alle anderen? Nein, beruhigt er, seiner Erfahrung nach finden sich immer Gruppen von Studierenden, die in einer ähnlichen Lebenssituation sind. Wer den Schritt wagt, sollte darauf achten, dass sich die Bewerbungsformalien unterscheiden. Studieninteressierte müssten bei der Uni ein Motivationsschreiben beilegen, das den Studienwunsch begründet. Ein Punktesystem entscheidet laut Petri über die Vergabe der für Studenten mit Zweitstudium reservierten Plätze.

Allen, die mit ihrer beruflichen Situation hadern, müsse klar sein: Veränderungen sind normal. „Alle sieben bis zehn Jahre ändern sich die Lebenssituation und damit verbunden oft auch die Bedürfnisse“, sagt Löwe. Es sei keine Schande, sich neu zu orientieren, „man kann ohne blaue Flecken noch einmal neu anfangen“. Janna Moser hat ihr erstes Lehrjahr im neuen Beruf nun zur Hälfte hinter sich und ist zufrieden. „Was ich überhaupt nicht vermisse, ist die alte Arbeit.“

(dpa)
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