DFB Themen mit Konflikt-Potenzial scheut sie nicht

Frankfurt · Die DFB-Direktorin Heike Ullrich muss sich auch um den Übergang zwischen den fünf Regionalligen und der 3. Liga kümmern.

Es ist ein Hingucker im Büro von Heike Ullrich und hängt direkt in ihrem Rücken: ein auf Posterformat vergrößertes Farbfoto aus dem Jahre 1979. Sie als einziges Mädchen, das inmitten einer fröhlichen Schar von Jungen auf einem Fußballplatz einen kleinen Pokal empfängt. Der wiederum steht als Erinnerungsstück auf ihrem Büroschrank. Auf der Plakette: E-Jugend, 2. Preis. „Der einzige Pokal, den ich mit meinem Verein SV WBR Wartjenstedt für unsere Dorfgemeinschaft gewonnen habe“, erzählt die gebürtige Hildesheimerin.

Obwohl sie damals Talent, Hingabe und Ehrgeiz mitbrachte, musste sie bald mit Fußball aufhören, „weil der niedersächsische Fußballverband Mixed-Teams nicht zugelassen hat“. Als ihre Sonderregel in der C-Jugend erlosch, wechselte sie zwangsweise die Sportart und spielte Volleyball, wo sie es beim ESV Bayreuth – wohin es die gelernte Bankkauffrau aus Studiengründen verschlagen hatte – immerhin bis in die Bayernliga brachte.

Seit Januar ist die 48-Jährige in einer Position angekommen, in der sie solchen Unfug wie vor fast vier Jahrzehnten mit einem Federstrich beenden könnte. Nach einer von der Unternehmensberatung McKinsey begleiteten Strukturreform beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) sind aus sieben Direktionen vier Organisations-Einheiten geworden – und Ullrich ist seit Jahresbeginn für „Vereine, Verbände und Ligen“ zuständig. Zuvor hatte sie die Direktion Frauen- und Mädchenfußball geführt. Nun verantwortet sie den gesamten Spielbetrieb unter dem DFB-Dach. So wie Oliver Bierhoff jetzt alle Nationalmannschaften (inklusive Frauen) und die Fußballentwicklung leitet, koordiniert Ullrich künftig DFB-Pokal, 3. Liga, Frauen-Bundesliga oder A- und B-Junioren-Bundesliga. Als Generalsekretär Friedrich Curtius die Aufgabe an sie herantrug, erbat sie sich einen Tag Bedenkzeit. „Ich bin ein Mensch, der die Dinge gerne bewusst macht“, sagt sie.

Speziell auf Funktionärs-Ebene sind Frauen in Vereinen und Verbänden bis heute stark unterrepräsentiert, und auch ein eigenes DFB-Programm („Leadership“) wird daran so schnell nicht so viel ändern. Der größte deutsche Sportverband führt bis heute nur eine Vizepräsidentin (Hannelore Ratzeburg) in seinen Reihen. Insofern ist es bemerkenswert, welche Befugnisse der diplomierten Sportökonomin in einem Haus mit fast 400 Mitarbeitern übertragen worden sind. Als sie 1996 in der Otto-Fleck-Schneise im Frankfurter Stadtwald anfing, war sie für das Team-Management der Frauen-Nationalmannschaften und den Spielbetrieb Frauen zuständig. „Lear­ning by doing“ unter Anleitung sei das oft gewesen.

Dass sie in die Phalanx einer Männerwelt eindringt, hat sie damals und heute nicht so empfunden: „Ich habe mich nie als Quotenfrau wahrgenommen. Ich hatte nicht eine Situation, in der ich mich unwohl gefühlt habe, weil ich als einzige Frau in einem Raum mit vielen Herren saß.“ Als ihren Mentor nennt sie Willi Hink, den langjährigen Leiter des Spielbetriebs, der noch immer nur wenige Büroräume weiter sitzt. Ullrich gilt als kompetent und loyal, fleißig und gewissenhaft; jeder, der sie erlebt hat, preist zudem ihren ausgleichenden Faktor. Muss sie aber nicht künftig häufiger die Ellbogen ausfahren? „Es gibt immer wieder inhaltliche Auseinandersetzungen. Immer im richtigen Rahmen, im richtigen Ton und auf die Sache bezogen.“ Angst vor unpopulären Entscheidungen hat sie keine.

Wer sie unterschätzt, macht einen Fehler. Auf einer Skala von eins bis zehn ihr Selbstbewusstsein verorten? „Weit oben. Es ist in den Jahren immer stärker gestiegen“, sagt sie, ohne dabei überheblich zu klingen. „Ich stelle mich nicht in den Vordergrund“, beteuert sie einerseits. „Ich habe gelernt, dass man Themen klar vertreten muss, um sie durchzusetzen“, betont sie andererseits.

Um Themen mit Konflikt-Potenzial kommt sie gar nicht umhin. Der Übergang zwischen den fünf Regionalligen und der 3. Liga, der auch im Saarland heiß diskutiert wird, gehört fraglos dazu. Auf dem Außerordentlichen DFB-Bundestag Anfang Dezember wurde das heikle Thema dank einer Zwischenlösung für zwei Jahre aufgeschoben. Furcht, sich daran die Finger zu verbrennen, hat Heike Ullrich nicht. Im Grunde sei es doch gar nicht so schwierig: Es gehe darum, mit der Arbeitsgruppe alle Handlungsoptionen abzuklopfen, „und dann bin ich optimistisch, dass wir für den DFB-Bundestag 2019 eine Empfehlung aussprechen können, die breite Zustimmung findet.“ Hört sich fast so an, als könne sie die erste Sitzung mit den Streithähnen kaum erwarten.

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