Treffen mir Kreml-Chef Putin Warum Kim bei Putin einen Erfolg braucht

Wladiwostok · Heute kommen Nordkoreas Machthaber und Russlands Präsident zum ersten Mal zu einem Einzelgespräch zusammen.

 Kim Jong Un hat eine lange Wunschliste aus Nordkorea zum ersten Einzelgespräch mit Wladimir Putin nach Russland mitgebracht. Hier steigt er nach 20-stündiger Fahrt aus dem Zug.

Kim Jong Un hat eine lange Wunschliste aus Nordkorea zum ersten Einzelgespräch mit Wladimir Putin nach Russland mitgebracht. Hier steigt er nach 20-stündiger Fahrt aus dem Zug.

Foto: dpa/Uncredited

Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un hat eine lange Wunschliste zu seinem ersten Einzelgespräch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nach Wladiwostok mitgebracht. Gestern ist er nach einer 20-stündigen Fahrt mit einem gepanzerten Sonderzug in der Hafenstadt im Osten Russlands angekommen. Nach dem Reinfall beim zweiten Gipfel mit US-Präsident Donald Trump will Kim bei seinem heutigen Treffen mit Putin einen Erfolg.

Aber es ist unklar, wie weit Putin ihm entgegenkommen will oder kann. Trotz einer Beziehung, die bis zur Gründung Nordkoreas zurückreicht, waren Pjöngjang und Moskau nie besonders eng miteinander.

Kim hat zwei dringende Anliegen: Mehr als 10 000 Nordkoreaner arbeiten noch in Russland, viele von ihnen in der Abholzungsindustrie im Osten des Landes. Ende des Jahres könnten sie aufgefordert werden, das Land zu verlassen, wenn eine UN-Sanktionsresolution aus dem Jahr 2017 in Kraft tritt. Die Arbeiter – früher waren es sogar 50 000 – sorgen mit ihren Einkommen für einen Geldfluss nach Nordkorea, den US-Behörden auf Hunderte Millionen Dollar schätzen, und den Kim gerne aufrechterhalten würde.

Außerdem könnte im kommenden Sommer eine Lebensmittelknappheit auf Nordkorea zukommen. Russland hat sich bereit gezeigt, humanitäre Hilfe zu leisten und erklärte im März, man habe mehr als 2000 Tonnen Weizen in die nordkoreanische Hafenstadt Chongjin geschickt.

Hinter der Entscheidung, Putin zu umwerben, steckt aber noch mehr. Trotz der Gespräche über Denuklearisierung mit Washington ist Kims primäre Sorge die Verbesserung seiner Wirtschaft. Nach einem Scheitern des Gipfels mit Trump im Februar in Hanoi steckt er in einer ausweglosen Situation – die Trump-Regierung will die Sanktionen nicht erleichtern, das ist aber nötig, um die Wirtschaft anzukurbeln.

Nordkorea ist seit langem von China als primärem Handelspartner abhängig. Aber sich nur da­rauf zu verlassen und Peking einen derartig großen Einfluss zu geben, macht Pjöngjang nervös. Kim hat auch Seoul dazu gedrängt, an interkoreanischen Projekten teilzunehmen, um das Schienennetz und die am Boden liegende Infrastruktur zu verbessern. Seoul ist jedoch Washington gegenüber loyal, das Seoul davor gewarnt hat, die Sanktionen gegen Nordkorea zu umgehen.

Laut einem internen Dokument, das einem südkoreanischen Forscher vorliegt und in einer japanischen Zeitung in dieser Woche veröffentlicht wurde, will Kim den Handel mit Russlands Hilfe bis 2020 auf das Zehnfache steigern. Anders als China, das viele chinesische Geschäftsleute in Nordkorea hat, hat Russland dort nur wenig Einfluss. Beamte haben lange über große Projekte gesprochen – inklusive Zugstrecken nach Europa oder Pipelines in Nordkorea –, aber Putin hat wenig Interesse gezeigt, sie tatsächlich umzusetzen.

Das Treffen zwischen Kim und Putin am heutigen Donnerstag kommt erstaunlich spät. Beinahe anderthalb Jahre sind vergangen, seitdem Kim verkündet hat, aus der Isolation herauskommen zu wollen, die diplomatischen Beziehungen mit China und Südkorea zu erweitern und Denuklearisierungsgespräche mit Washington zu führen.

Seitdem gab es vier Gipfel mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping, drei mit dem südkoreanischen Präsidenten Moon Jae In, und zwei mit Trump. Die Gipfel haben viel dazu beigetragen, Kim als ernstzunehmenden Mitspieler auf der Weltbühne anzusehen.

Aber der Gipfel in Hanoi hat seine Grenzen aufgezeigt. Er endete ohne Abkommen – weder zur Denuklearisierung, noch zur Aufhebung der Sanktionen, was jetzt vermutlich noch schwieriger wird, da beide Seiten sich stur zeigen. Kims Entscheidung, sich mit Putin zu treffen, könnte das widerspiegeln.

Putin hat mehr Erfahrung mit den Machthabern Nordkoreas, als die meisten. Er besuchte Pjöngjang 2000 und traf Kims Vater, Kim Jong Il, 2001 in Moskau und 2002 in Wladiwostok. Moskau hat eine entscheidende Rolle gespielt, Kims Großvater Kim Il Sung an die Macht zu bringen, und geholfen, das Land nach dem Koreakrieg 1950 bis 53 wiederaufzubauen. Diese Verbindungen zerfielen jedoch mit dem Kollaps der Sowjetunion 1991.

Wie Kim ist Putin kein Freund der Sanktionen als politisches Druckmittel, die Washington nutzt. Sogar eine vorsichtige Solidaritätserklärung oder eine Zurückweisung der Politik des „maximalen Drucks“ von Washington wäre ein Sieg für Kim. Aber Putin hat gute Gründe, vorsichtig mit jeder Art von Kommentar zu sein. Vor allem will er China nicht verärgern. Direkt nach dem Treffen mit Kim fliegt Putin nach Peking für ein internationales Treffen zu Chinas Handels- und Infrastrukturprojekt „neue Seidenstraße“, das für Russland lukrativ sein könnte.

Wenn Putin sich entscheidet, sich hinsichtlich Nordkorea mehr zu engagieren, könnte das Washingtons Bemühungen um die atomare Abrüstung Nordkoreas erschweren. Putins Interesse ist wohl, den Einfluss Washingtons zu verringern. Und für Kim ergibt es Sinn, sich alle Optionen offenzuhalten, da der Druck aus Washington in naher Zukunft wohl nicht nachgeben wird.

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