Sexuelle Belästigung im Internet „Verkaufst du auch etwas anderes?“

Saarbrücken · Frauen, die auf Online-Flohmärkten Kleidungsstücke verkaufen wollen, erhalten häufig anstatt ernst gemeinter Preisvorschläge Offerten mit höchst zweifelhaftem Inhalt.

 Frauen, die im Internet Kleidung verkaufen möchten, laden dabei oft auch Fotos hoch, auf denen sie die entsprechenden Kleidungsstücke tragen. Das führt immer wieder zu sexuellen Belästigungen.

Frauen, die im Internet Kleidung verkaufen möchten, laden dabei oft auch Fotos hoch, auf denen sie die entsprechenden Kleidungsstücke tragen. Das führt immer wieder zu sexuellen Belästigungen.

Foto: dpa/Jens Kalaene

„Hübsche Füße :) Verkaufen Sie zufällig auch Feinstrumpfhosen?“ Es ist die erste Anfrage, die im Postfach der 25-jährigen Lisa aus Saarlouis landet. Und das nur zehn Minuten, nachdem sie das Angebot ins Internet gestellt hat. Lisa heißt in Wirklichkeit anders, aber ihre Geschichte hat sich tatsächlich so zugetragen.

Lisa will ein Kleid auf dem Online-Flohmarkt Ebay Kleinanzeigen verkaufen. Ihr „Problem“ dabei: Sie hat nicht nur das Kleid abgebildet. Das Foto zeigt sie, als sie es trägt. Dabei war Lisa so schlau, das Foto in der Höhe des Halses abzuschneiden. Doch offenbar war das nicht schlau genug. Schnell kommen weitere Anfragen, die mit dem Adjektiv „anzüglich“ noch sehr zurückhaltend charakterisiert sind. Am Ende des Tages haben sich drei vermeintliche Interessenten gemeldet, die unter anderem nach „schönen Bildern“ verlangen oder „sich gerne mal verwöhnen lassen würden“. Natürlich sei man auch bereit, dafür zu zahlen, heißt es. „Bis zu 500 Euro.“

Lisa ist bei weitem nicht die Einzige, die sich über obszöne Nachrichten und Anfragen beklagt. Wer die Suchwörter „Ebay“ und „sexuelle Belästigung“ bei Google eingibt, erhält knapp 30 000 Treffer. In verschiedenen Internetforen tauschen Mitglieder ihre negativen Erlebnisse aus. Es fällt auf: zu den Betroffenen zählen primär Frauen, die entweder auf der Suche nach einem Minijob sind oder ihre ausrangierten Kleidungsstücke loswerden wollen. Die meisten von ihnen berichten davon, zusätzlich Fotos hochgeladen zu haben, auf denen sie die entsprechenden Artikel tragen, damit sich potenzielle Käufer ein besseres Bild machen können.

„Das sehen viele Nutzer von Ebay Kleinanzeigen wohl als Einladung“, vermutet Lisa. Auch sie war der Meinung, ein Foto, auf dem sie ihr Kleid vorführe, könne lediglich als Orientierung dienen und bei der Kaufentscheidung helfen. Dass sie stattdessen aber Fetischisten oder Menschen mit allerlei fragwürdigen Neigungen auf den Plan rufen würde, sei ihr nicht bewusst gewesen. Erst nachdem sie das Internet nach Nutzern mit ähnlichen Erfahrungen durchforstet habe, erkannte sie, dass sie keineswegs ein Einzelfall ist – und Ebay Kleinanzeigen nicht die einzige Online-Verkaufsbörse mit diesem Problem.

Auch Mitglieder der Secondhand-Plattform Kleiderkreisel, auf der Verbraucher unter anderem gebrauchte Bekleidung tauschen oder verkaufen können, berichten über Nachrichten mit belästigendem und pornographischem Inhalt. So erklärt eine anonyme Nutzerin im Kleiderkreisel-Forum, neben „den üblichen Nachrichten von Fetischisten“ unaufgefordert Fotos von männlichen Genitalien sowie höchst unmoralische Angebote unterbreitet bekommen zu haben. „Manche mögen das vielleicht leicht wegstecken, darüber lachen oder ignorieren, für andere ist so etwas ein wirklich unangenehmes Erlebnis“. Von den Mitarbeitern des Online-Verkaufsportals fühle sie sich, wie zahlreiche andere Betroffene auch, völlig alleingelassen. So reagiere Kleiderkreisel auf etwaige Beschwerden lediglich mit „automatisierten Antworten, die absolut nicht weiterhelfen“.

Kleiderkreisel weist die Vorwürfe zurück und erklärt gegenüber der Saarbrücker Zeitung, die Beschwerden seiner Mitglieder „sehr ernst“ zu nehmen. Das Unternehmen sei sich zwar bewusst, dass die Plattform zu derartigen Zwecken missbraucht werde. Doch gegen Nutzer, die belästigende Nachrichten und Anfragen versenden, gehe man gezielt vor, versichert Sabrina Pascht von Kleiderkreisel. Betroffene, die entsprechende Nachrichten bekommen, müssten diese entweder als Spam markieren oder den Kundenservice direkt kontaktieren, erklärt sie. „Wir überprüfen den Fall dann und sperren das Mitglied unverzüglich“.

Für die Diplompsychologin Julia von Weiler, die sich mit dem Verein „Innocence in Danger“ gegen Kindesmissbrauch einsetzt, handelt es sich hierbei eindeutig um sexuelle Belästigung. Dass diese über das Internet erfolge, mache keinen Unterschied. „Hinter dem Bildschirm sitzt schließlich eine reale Person, die sich im echten Leben mit derartigen Grenzüberschreitungen auseinandersetzen muss und deren Würde ganz klar verletzt wurde“, erklärt Weiler. Das Ausmaß der Folgen, die Belästigungen übers Internet haben können, hänge zwar von dem jeweiligen Empfinden des Betroffenen ab. „In jedem Fall sind derartige Nachrichten und Anfragen immer verstörend.“

Bei Opfern, die bereits vorgeprägt seien, könnten solche Erfahrungen „alte Wunden mit voller Wucht aufreißen und das Vertrauen in die Welt noch weiter erschüttern“. Sei dies der Fall, müssen sich Betroffene laut Weiler professionelle Hilfe suchen. Wer ungefragt pornographische Fotos oder Videos zugeschickt bekomme, sollte auch über eine Strafanzeige nachdenken. Denn die unerwünschte Verbreitung pornographischer Inhalte ist gesetzlich verboten und kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe geahndet werden.

Ebay sei dieses Problem hinreichend bekannt, berichtet der Pressesprecher Pierre Du Bois auf Anfrage der Saarbrücker Zeitung mit. „Unter durchschnittlich 30 Millionen aktive Nutzer in Deutschland mischen sich immer mal wieder schwarze Schafe.“ Du Bois räumt ein, dass sich bisher ausschließlich weibliche Mitglieder mit entsprechenden Beschwerden an Ebay gewandt hätten. Zwar setzte die Online-Verkaufsplattform automatisierte Systeme ein, um Anfragen mit anstößigem Inhalt zu löschen, doch ließen sich auf diese Weise „leider nicht alle Nachrichten herausfiltern“, erklärte der Sprecher.

Betroffenen rät er, auf unangemessene Nachrichten nicht zu antworten und den auffälligen Nutzer sofort zu blockieren sowie gegebenenfalls zu melden. Dafür müssten sie über dem Nachrichtenverlauf auf „Benutzer blockieren“ klicken und anschließend die Option „Ich möchte den Nutzer zusätzlich melden, da er die Grundsätze oder Nutzungsbedingungen missachtet“ wählen. Dieser werde dann zeitweise oder dauerhaft vom Handel bei Ebay Kleinanzeigen gesperrt, erläutert Du Bois. In schwerwiegenden Fällen könne außerdem eine Strafanzeige drohen.

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